Exulanten – Glaubensflüchtlinge aus Österreich im 17. Jahrhundert

Exulanten – Glaubensflüchtlinge aus Österreich im 17. Jahrhundert

Das Wort Exulant ist abgeleitet vom Partizip Präsens exulans des Verbs exulare (ursprünglich: exsulare), das zum Substantiv exsul für Verbannter gebildet wurde. Dieses wiederum ist aus ex für aus … heraus und solum für Boden oder Land entstanden. Exulanten sind also wörtlich die „außerhalb ihres Landes Lebenden“. Exilant ist dagegen eine neuere Wortschöpfung, die von Exil (aus lat. exsilium, ebenfalls von exul) abgeleitet ist. (Wikipedia)

Exulanten ­der evangelischen Glaubensflüchtlinge

Es ist wie eine kriminalistische Spurensuche. Seit Jahrzehnten verbringt Pfarrer i.R. Karl Heinz Keller seinen Urlaub in Österreich und forscht in Kirchenbüchern nach den Herkunftsorten der Exulanten ­der evangelischen Glaubensflüchtlinge, die zu Zig-Tausenden in Franken eine neue Heimat gefunden hatten.

Der frühere Kammersteiner Pfarrer lebt nun in Dietersdorf. Dort beschäftigt er sich mit seiner Passion, der Erforschung der Exulanten, jener Glaubensvertriebener, die aus dem heutigen Österreich kamen und in Franken eine neue Heimat fanden. Im Rahmen des Jubiläums „775 Jahre Kammerstein“ hielt er im Evangelischen Gemeindehaus einen Vortrag unter dem Titel „Den Exulanten auf der Spur“ und widmetet sich besonders der Geschichte der Glaubensflüchtlinge, die aus Kärnten kamen. Pfarrer Martin Bek-Baier und Pfarrerin Sabine Baier begrüßten den Ahnenforscher und Vorgänger im Amt und dankten für seine wissenschaftliche Arbeit. Der Posaunenchor Kammerstein hatte den Abend musikalisch begleitet. Es war die letzte Veranstaltung in der Reihe der Vorträge zum Festjahr 775 Jahre Kammerstein.

Die Emigration von abertausenden von österreichischen Exulanten geschah nach und nach, innerhalb von etwa 150 Jahren. Es waren meist kleinere Gruppen, die in die nächstgelegenen evangelische Gebiete flohen, auf der Suche nach einer künftigen Heimat. Sie gingen meist lieber freiwillig in die Fremde, bevor sie in Ketten „wegg’schafft“, also abgeführt wurden. Ihr Verbrechen? Sie wollten die Bibel in ihrer Muttersprache lesen dürfen, Gottesdienste in deutscher Sprache feiern und das Abendmahl in beiderlei Gestalt empfangen. All das wurde den evangelischen Kärtnern verwehrt.

Exulantenforschung in Franken

Pfarrer Karl Heinz Keller ist einer der führenden Historiker in der Exulantenforschung in Franken. Minutiös trägt er seit Jahren die Daten aus dem heutigen Dekanat Schwabach zusammen. Das Gros der Kärtner Exulanten zog in dieses Gebiet. Die meisten von ihnen finden sich in den Kirchenbüchern der Kirchengemeinden Kammerstein und Barthelmesaurach, die heute zur Gemeinde Kammerstein gehören: Zusammen 311 Kärtner fanden hier ihre neue Heimat. Sie waren etwa ein Viertel aller 1.331 Exulanten in der Gemeinde.

Dabei war Kärnten bis ins Jahr 1600 zu rund 90 Prozent evangelisch, wie die meisten Gebiete des heutigen Österreichs. Belegt ist dies durch eine Depesche eines garantiert unabhängigen Beobachters, des venezianischen Gesandten. „Die Blütezeit des kärtnerischen Protestantismus währte fast 80 Jahre lang, bis die Gegenreformation in diesem Jahr unbarmherzig und mit militärischer Gewalt zuschlug“, weiß Keller. Mit 300 Musketieren zog der Landeshauptmann Graf von Ortenburg durch alle Täler Kärntens, verjagte die protestantischen Pfarrer, zerstörte Kirchen, Schulhäuser und Friedhöfe.

Die Bevölkerung wurde zusammengetrieben. Bischof Martin Brenner, genannt der „Ketzerhammer“ versuchte die lutherischen Christen zur katholischen Kirche durch eine vier-stündige Predigt zu bekehren. Wer widerstand, wurde des Landes verwiesen und in Eisen und Banden weggeführt. Der Landeshauptmann ließ nur wenige Täler aus. So das innere Teuchental um Ariach. Die dortigen Protestanten konnten ihr Tal den Truppen verwehren, da sie den engen Eingang in einer Klamm verbarrikadierten.

Selbst wenn aber die Protestanten ihren katholischen Beichtschein vorweisen konnten, die Kinder katholische taufen, heirateten und sich beerdigen ließen, so blieben sie im Herzen meist evangelisch, so der Forscher. Sie flüchteten sich in den „Geheimprotestantismus“. Der so geheim freilich nicht war, wie Keller weiß. Es gab Spitzel, Geheimakten, Verhaftungen, Kerkerhaft und Abschiebung in Strafkolonien wie Siebenbürgen. 4000 Geheimprotestanten wurden aufgespürt, 2000 haben das erste Jahr der Deportation nicht überlebt.

Bleibt die Frage „Warum nahmen die Menschen das auf sich?“ „Das war der Unterschied zwischen Frohbotschaft und Drohbotschaft“, ist Keller überzeugt. Keine wirtschaftlichen oder finanziellen Gründe standen hinter der Emigration.

Quelle: Nordbayern.de

Bemerkungen

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  • Gerhard A. Fuerst

    12. März 2015

    Meine Urahnen kamen in diesem Zusammenhang in den fruehen Jahren des 30-jaehrigen Kriegs aus Obergeng/Untergeng bei Gramastetten, nordwestlich von Linz im Muehlviertel von Oesterreich. Abraham Fuerst (1603-1603) siedelte fan in Heidenheim am Hahnenkamm eine neue Heimat, und zwei seiner Brueder, Hans Fuerst (1604-1686), sowie Melchior Fuerst (?-1645) siedelten sich in Doeckingen bei Heidenheim an.

  • Gerhard A. Fuerst

    12. März 2015

    Man entschuldige bitte die Schreibfehler …:-(

  • PRAGER

    25. September 2015

    mEINE fAMILIE STAMMT AUCH VON DORT pRAGER ODER fREIHERR pRAGER;Haben Sie Unterlagen.Ein Hans von Prag starb durch Selbstmord 1633, er hatte einen 15 jährigen Sohn zu dieser Zeit.
    Eine Elisabeth freiin v. Prag war mit einem Freherrn v. Ungnad verheiratet.Hans von Prag gibt es 1632 als Exulant in Ulm.

  • PRAGER

    25. September 2015

    Wäre schön, wenn Sie etwas über diese Familie in Ihrem Archiv finden würden

  • PRAGER

    25. September 2015

    Verstehe ich jetzt nicht!

  • Andy Höfer

    24. November 2015

    Mein Ahne Hans Höfer soll aus Rietau in Kärnten 1628 nach Schneeberg im Erzgebirge geflüchtet sein. Bisher konnte ich nicht feststellen, wo der Ort sein soll.

  • Friedrich

    8. Dezember 2015

    Riedau ist eine Marktgemeinde in Oberösterreich im Bezirk Schärding im Innviertel mit 2034 Einwohnern. Die Gemeinde liegt im Gerichtsbezirk Schärding

    Dass Kärnten von den damaligen Glaubenskriegen betroffen waren, halte ich für eher unwahrscheinlich. Oberösterreich (Riedau) hingegen schon. Es gab einige Aufstände in OÖ. Außerdem gehörte das Gebiet damals wahrscheinlich auch zu Bayern, aber das müsste man genauer überprüfen.
    Vielleicht hilft dir diese Mitteilung

  • Friedrich

    8. Dezember 2015

    Mein Kommentar bezieht sich auf das Jahr 1628 🙂 Aber versuch es einmal mit dem Ort Riedau in Oberösterreich. Vielleicht hilft das weiter.

  • Andy Höfer

    13. Dezember 2015

    Ich danke erst einmal für die Information. Jetzt stellt sich allerdings die Frage, ob es aus dieser Zeit noch Quellen, wie Kirchenbücher gibt. Aus dem Internet konnte ich erst einmal keine finden.

  • JR

    Joachim Rebuschat

    26. Juni 2022

    Vielen Dank für diese interessante Schilderung. Im 18. Jahrhundert war dann – zwar nicht in Österreich, sondern im damals selbständigen Fürsterzbistum Salzburg – die Vertreibung der Evangelischen = „Salzburger Emigration“. Dazu mehr >