Deutsche Geschichte: Die Wanderlust unserer Vorfahren

Deutsche Geschichte: Die Wanderlust unserer Vorfahren

Heute im Blog begrüßen wir wieder ganz herzlich Herrn Hans-Peter Geis, der bereits über seine Familienforschung hier im Blog berichtet hat. Diesmal erzählt er uns von den Germanischen und Slawischen Stämmen in Mitteleuropa und wie die deutsche Sprache Menschen verbindet, unabhängig davon, wo diese Menschen geboren wurden.

Viel Spaß beim Lesen!

„Mein Buch heißt „Bauer Bürger Arbeitsmann“ und im Untertitel „Geschichte der Menschen deutscher Sprache“.  Warum das? Warum nicht „Deutsche Geschichte“ oder „Geschichte der deutschen Menschen“?  Deutsch oder Dialekte des Deutschen  spricht (oder sprach) man nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern auch in fast allen Ländern, die um Deutschland und Österreich herum liegen. Dazu kommen verschiedene Länder der früheren Sowjet-Union und in Amerika. Alle diejenigen, die deutsch sprechen, haben gemeinsame Wurzeln und haben somit bis zu einem gewissen Zeitpunkt auch eine gemeinsame  Geschichte, doch sie sind keine Deutschen mehr. Aber sie verbindet die gemeinsame Sprache.

Das Leben dieser Menschen verfolge ich in meinem Buch, nicht die Geschichte der Staaten, in denen sie lebten, denn ich habe ja keine politische Geschichte geschrieben sondern eine der Menschen. Sie waren von jeher sehr wanderfreudig. Bis zu den Auswanderungswellen nach Amerika waren es oft Herrscher (eigene und fremde), welche die Menschen dazu brachten ihre Heimat zu verlassen. Und die Herrscher bestimmten natürlich ebenfalls die Lebensbedingungen im eigenen Land. Deshalb kommen auch sie in meinem Buch vor, aber sie sind für mich nicht die Hauptpersonen wie in den üblichen Geschichtsbüchern.

Die Wanderlust haben wir wohl schon von unseren Vorfahren, den Germanen, mitbekommen. Im Jahr 120 v. Chr. brechen die Kimbern und Teutonen vom mittleren Dänemark aus auf, um neues Siedlungsland zu finden. 19  Jahre lang ziehen sie mit Frauen und Kindern durch Mittel- und Westeuropa. Sie bringen Unruhe in die Länder, durch die sie ziehen, bis nach Italien und Spanien, bis die Römer sie in zwei großen Schlachten völlig vernichten. So vermelden die Römer. Es ist der erste Bericht über eine solche Wanderung. Von da an berichten uns die Römer immer wieder von germanischen Stämmen, gegen deren Wanderlust sie sich stemmen, bis das Römerreich ab 375 n. Chr. von Goten, Langobarden, Wandalen, Sueben und Franken und anderen vollständig überrollt wird. All dies ist keine „deutsche“ Geschichte, höchstens eine Vorgeschichte.

Züge der Kimbern und Teutonen 120-101 v.Chr. von Dänemark aus durch Europa. Noricum entspricht etwa dem heutigen Österreich (aus Krüger, B.: Die Germanen. Geschichte und Kultur der germanischen Stämme in Mitteleuropa. Berlin 1976/83)

Züge der Kimbern und Teutonen 120-101 v.Chr. von Dänemark aus durch Europa. Noricum entspricht etwa dem heutigen Österreich (aus Krüger, B.: Die Germanen. Geschichte und Kultur der germanischen Stämme in Mitteleuropa. Berlin 1976/83)

Germanische Stämme in Mitteleuropa zwischen 100 vor und 150 nach Christus mit den Namen, die ihnen die antiken Autoren (auf Lateinisch) gegeben haben. Im grauen Feld wohnten keine Germanen (Aus Jankuhn, H.: Vor- und Frühgeschichte vom Neolithikum bis zur Völkerwanderungszeit. Deutsche Agrargeschichte I. Stuttgart 1969).

Germanische Stämme in Mitteleuropa zwischen 100 vor und 150 nach Christus mit den Namen, die ihnen die antiken Autoren (auf Lateinisch) gegeben haben. Im grauen Feld wohnten keine Germanen (Aus Jankuhn, H.: Vor- und Frühgeschichte vom Neolithikum bis zur Völkerwanderungszeit. Deutsche Agrargeschichte I. Stuttgart 1969).

Auf jeden Fall, seit die Römer um 50 v. Chr. Frankreich besetzten, sind die germanischen Stämme östlich der Elbe auf Wanderschaft in Richtung Westen und Süden. In den von ihnen verlassenen und fast menschenleeren Raum wandern ab dem Jahr 500 von Osten slawische Stämme ein. Ein paar Namen kennen wir: Sorben, Wenden, Tschechen, Polen, aber wer hat schon von Obodriten, Liutizen, Daleminzern, Sprevanen… gehört? Sie alle sind Heiden. Ganz grob kann man sagen, dass die Grenze zwischen dem germanisch und dem slawisch besiedelten Gebiet schließlich derjenigen zwischen der BRD und der DDR folgte.

So sieht es also in Mitteleuropa aus als König, später Kaiser Otto I. 936 seine Herrschaft antritt. Erst schlägt er die Ungarn, ein Turkvolk aus Zentralasien, dessen Reiterscharen seit 900 immer wieder plündernd in sein Reich einfallen. Er schlägt sie 955 so nachdrücklich, dass sie nicht mehr wiederkommen und sich im heutigen Ungarn niederlassen. Bayern besiedeln daraufhin Österreich und die bayerischen Alpen.

Da im mittel- und norddeutschen Raum weiterhin slawische Siedler über die Siedlungsgrenze in Richtung Westen vordringen, kommt es zu Konflikten. Schon Karl der Große hatte seine liebe Not mit ihnen gehabt, er hatte Grenzmarken gegen sie angelegt, dort Ritter angesiedelt und Burgen gebaut. Otto I. löst das Problem endgültig. Seine Markgrafen schlagen Aufstände der Slawen nieder und unterwerfen die Stämme bis zur Oder. Spätere Herrscher sichern diese Herrschaft. Am längsten wehren sich die Obodriten i Mecklenburg. Von Magdeburg aus bringen Missionare den Slawen das Christentum und gründen Klöster.

Von jetzt ab wird es interessant für diejenigen My Heritage-Besucher,  die selbst oder deren Vorfahren aus dem Gebiet jenseits der Elbe stammen.

Das Land zwischen der Saale und Schlesien ist, aufgeteilt in mehrere „Marken“, schon vor dem Jahr 1000  fest in deutscher Hand. Hier wohnen Sorben. Aber zwischen ihnen sind riesige menschenleere Wälder, die jetzt den Wettinern als Markgrafen, der Kirche und einigen Adeligen gehören. Sie alle verschenken und verkaufen Land an kleine Herren, die dort Bauern aus dem Westen ansiedeln. Die Kirche wirkt  über Klöster auch selbst aktiv mit bei der Urbarmachung des Landes. 1104/5 kommen die ersten Rodungsbauern aus Franken, aber es kommen auch Bayern und sogar Flamen, da bei ihnen das Land knapp zu werden beginnt. Zwei  kleine Slawendörfer werden zu den Städten Leipzig und Dresden. Dem Gebirgszug im Süden geben sie den Namen „Erzgebirge“ wegen der reichen Erzvorkommen, die der ganzen Umgebung zu Wohlstand verhelfen. Bergleute von dort werden später als Spezialisten in viele Länder ziehen.

In der „Nordmark“ – dem heutigen Brandenburg –  wollen nur zwei Slawenstämme Christen werden. Gegen die übrigen Slawenstämme in Brandenburg und an der Ostsee-Küste führt ein Sachsenheer seit 1147 den „Wendenkreuzzug“, um sie zu bekehren. 1157 ist es in Brandenburg so weit, dass Herzog Albrecht der Bär und der Erzbischof von Magdeburg Siedler ins Land rufen können. Adelige aus dem Westen wandern als erste ein, und wieder kommen auch Flamen und Niederländer. Viele Neubauern lassen sich zwischen slawischen Bauern nieder. Um den slawischen Fürstensitz Brennabor wird lange gekämpft. Als Brandenburg entwickelt es sich zur Stadt, lange bevor sich deutsche Siedler im späteren Berlin niederlassen.

Slawen im Alpenraum etwa 900 n.Chr. Hellgrau ihre ursprüngliche Verbreitung, dunkelgrau heutiges Siedlungsgebiet der Slowenen. Punkte mit Ortsnamen geben Orte an. Übrige Zeichen : frühslawische Funde. Gestrichelt: Grenzen der verschiedenen Regionen z.Z. Karls d.Gr. (um 800) (Aus Hermann, J.: Welt der Slawen. Berlin 1986)

Slawen im Alpenraum etwa 900 n.Chr. Hellgrau ihre ursprüngliche Verbreitung, dunkelgrau heutiges Siedlungsgebiet der Slowenen. Punkte mit Ortsnamen geben Orte an. Übrige Zeichen : frühslawische Funde. Gestrichelt: Grenzen der verschiedenen Regionen z.Z. Karls d.Gr. (um 800) (Aus Hermann, J.: Welt der Slawen. Berlin 1986)

Das Land an der Ostsee ist ebenfalls lange umkämpft. Ab 1143 kommen die ersten nichtslawischen Siedler nach Ostholstein, sowohl aus der näheren Umgebung als aus Holland, Friesland und Westfalen. Der Markgraf gründet den deutschen Marktort Lübeck in der Nähe einer früheren slawischen Burg gleichen Namens. Um 1300 ist es nach Köln die zweitgrößte Stadt des Reiches.

In Mecklenburg wollen sich die Obodriten einfach nicht unterwerfen. Mit Hilfe des dänischen Königs schafft es der Herzog Heinrich der Löwe. Sie erheben sich trotzdem noch einmal, Heinrich schlägt sie nieder und erobert auch Pommern, das allerdings an Dänemark verloren geht. Als Heinrich dem Obodritenfürst Pribislaw 1167 die Herrschaft über Mecklenburg überlässt, kehrt Ruhe ein.  Dessen Nachfolger laden deutsche Ritter als „Lokatoren“ ein, die es mit deutschen Siedlern bevölkern. Deutsche siedeln friedlich neben Slawen. Inzwischen haben sich deutsche Siedler in Pommern bis nach Danzig hin niedergelassen. Aus dem slawischen Städtchen Rostock und aus einer Kaufmannssiedlung bei der Burg Schwerin werden Städte.

Deutsche Siedler wandern weiter gegen Osten, sie siedeln auch in Nachbarländern, aber darüber in einem nächsten Blog. Mit dem großen Sterben in den Pestwellen seit 1348 ist der Zug gen Osten zunächst einmal zu Ende.

Charles Higounet, französischer Historiker, der im letzten Weltkrieg als kriegsgefangener Offizier nach Schlesien kam, hat von da ab das ganze Wissen über die deutsche Besiedlung im Osten zusammengetragen und darüber das Buch „Die deutsche Ostsiedlung im Mittealter“ geschrieben. Es ist die wichtigste Gesamtdarstellung, die es bis heute gibt.

In einem solchen Blogpost kann  ich natürlich nur einen groben Abriss geben. Wer es genauer wissen will, dem empfehle ich mein Buch. Wie schon im vorhergehenden Blogpost erwähnt, habe ich noch ein paar Exemplare mit unbedeutenden Druckfehlern, die ich für € 38 + Porto abgebe (2 Bände, ca. 1000 Seiten).“

Bemerkungen

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  • falko

    7. Januar 2013

    vielen dank!