Durch „Zufallsfund im Archiv“ neue Verwandtschaft in Chile gefunden
- Von Silvia
Kai ist schon seit vielen Jahren Nutzer von MyHeritage. Er hat auch schon ziemlich viel über seine Vorfahren gelernt, aber die Reise geht noch weiter. Heute berichtet er über seine Verwandtschaft in Chile. Viel Spaß beim Lesen!
Mit einem historischen Dokument – einer Entlassungsurkunde – aus dem Jahr 1861 begann ein weiterer, spannender Teil meiner genealogischen Forschungen. Diese Urkunde wurde zufällig beim Stadtarchiv Münster entdeckt; sie ist Teil des „Digitalisierungsprojektes Stadtarchiv Münster“. Die Entlassungsurkunde ermöglichte einem Franz (Große) Brintrup die Auswanderung nach Südamerika.
Transkription (Übertragung eines Textes in die heutige Schrift):
Verhandelt Haus Hülshoff den 27ten Mai 1861
Erschien der Pächter Hermann Heinrich Große Brintrup aus der Gemeinde Roxel 62 Jahre alt und trug vor: Damit meinem Sohne Franz keine Schwierigkeiten bei Erteilung der nötigen Reisepapiere nach Süd-Amerika entgegengestellt werden, erkläre ich hierdurch unter Verzichtleistung auf alle erdenklichen Einreden, dass ich für die nötige Erziehung des Kindes meines genannten Sohnes mit der Gertrud Becker bis zum vollendeten 14. Lebensjahr Sorge tragen werde wie es gesetzlich verlangt werden kann.
v.g.u. Gr. Brintrup der Amtmann Frh. Droste Hülshoff
Am 17. Mai 1826 wurde Franz (Große) Brintrup in Roxel (Münster in Westfalen) geboren; er ist der Cousin 2. Grades meiner Ururgroßmutter Gertrud Lütke Brintrup (geboren am 29. Oktober 1855 in Roxel, gestorben am 21. Januar 1935 in Bösensell).
Das in der Entlassungsurkunde erwähnte Kind ist Anton Hermann Becker (1857 – 1899), der uneheliche Sohn von Gertrud Becker, den Franz Brintrup wahrscheinlich adoptiert hat. Der Großvater Hermann Heinrich Große Brintrup verpflichtet sich in der Urkunde, sich um das Kind zu kümmern. Anton Becker lebte bis 1878 auf dem Hof der Großeltern in Roxel. Als Auswanderer reiste Franz Brintrup am 10. August 1861 vom Hamburger Hafen ab in Richtung Valdivia/Valparaíso und kam nach mehrwöchiger Überfahrt am 25. Januar 1862 mit dem Schiff „Steinwärder“ in Chile an. Der Kapitän des Dreimaster-Passagierschiffes der Reederei „Joh. Ces. Godeffroy & Sohn“ war Kapitän Prinz.
Kurz vor der Auswanderung, am 13. Juli 1861, heiratete der in Rödinghausen wohnende Landmann/Bauer Franz Brintrup in Menden die 27-jährige Francisca Caroline Gierse aus Rödinghausen/Menden im Sauerland. Mit an Bord auch der uneheliche 7-jährige Sohn Joseph Brintrup (geboren 31.10.1854 in Menden/Deutschland; gestorben 18.05.1918 in Nueva Braunau/Chile). Auf der Seite 262 in dem Buch „Westfälische Auswanderer im 19. Jahrhundert / Auswanderung aus dem Regierungsbezirk Münster, II. Teil“ ist unter Punkt 5830 Franz Heinr. Brintrup als Auswanderer nach Südamerika verzeichnet.
Die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen in der Heimat waren damals hauptsächlich die Gründe für die Auswanderungen (Verelendung großer Bevölkerungsteile unmittelbar vor der Industrialisierung). Man erhoffte sich bessere Arbeits- und Lebensbedingungen. Nach Chile wanderten zwischen 1851 und 1900 insgesamt 323 Westfalen aus, die sich in der neuen Heimat überwiegend als Bauern ansiedelten.
Der Auswanderer Franz Brintrup hatte 5 Kinder und von seinen Nachfahren gibt es einiges interessantes zu erzählen.
1) Joseph Brintrup Blume (1854 – 1918); Sohn seiner Ehefrau Francisca Caroline Gierse (Blume)
2) Anna Brintrup Blume (1864 – 1930)
3) Franz (Francisco Segundo) Brintrup Blume (1867 – 1929)
4) Adelgunda Maria Brintrup Blume (1869 – 1946)
5) Theodoro Clemente Brintrup Blume (1872)
Joseph Brintrup war Landwirt und heiratete am 25. Mai 1879 in Llanquihue Franziska Schnettler Kampmann; das Paar hatte 12 Kinder. Nach Überlieferungen starb er am 18. Mai 1918 bei einem Unglück in Nueva Braunau durch eine Explosion eines Motors (Quelle: Werler Arbeitsgemeinschaft für Familienforschung 1982).
Das bekannteste Kind von Joseph war Alfonso Guillermo Brintrup Schnettler, der am 5. Januar 1887 in Nueva Braunau geboren wurde; er heiratete 1913 Augusta Elisa Josefa Schwertler Knee (1890 – 1965) und sie hatten 11 gemeinsame Kinder (die 9 erwachsenen Kinder sind mit ihren Eltern auf einem Foto zu sehen). Auf einem weiteren schönen Familienbild sind die Großeltern mit 30 Enkelkindern abgebildet. 1904 war er einer der Gründer des Krankenhauses San José (heute Clínica Puerto Varas). 1915 half er beim Bau der Pfarrei Puerto Varus und lieferte das Holz. Er spendete 1930 das Land des heutigen katholischen Friedhofes von Puerto Varas; die Zufahrtsstraße ist nach Alfonso Brintrup Schwerter benannt.
Quelle: https://www.eha.cl/noticia/local/alfonso-brintrup-schnettler-1887-1980-un-forjador-y-benefactor-de-la-ciudad-de-puerto-varas-7938
Aus dem Jahr 1905 gibt es einen Zeitungsausschnitt, der wie folgt übersetzt werden kann:
Familienalbum | Puerto Varas
Puerto Varas im Herzen
Alfons Brintrup Schnettler (stehend, zweiter von rechts) wurde 1887 in Puerto Varas geboren. Seine Familie war 1862 aus Hamburg nach Chile gekommen. Er wurde zu Hause in Deutsch unterrichtet und später lernte er an der Schule von Nueva Braunau weiter Deutsch. 1913 heiratete er Augusta Schwerter, mit der er 11 Kinder hatte. Er war Förderer mehrerer Werke in Puerto Varas, wie der Gründung des San José Hospitals (heute Puerto Varas Clinic) im Jahr 1904. Er besorgte Holtz für den Bau der Gemeinde Puerto Varas, war einer der Gründer der Germania-Schule und Wohltäter des Katholischen Friedhofs und des heutigen Evaldo-Klein-Stadions.
Über soziale Medien habe ich Kontakt zu Josefa aufgenommen, einer Ururenkelin von Alfonso, die ihre Vorfahren ganz genau kennt.
Ein weiterer Sohn von Joseph Brintrup Blume ist Antonio Brintrup Schnettler, der am 16. September 1882 in Puerto Varas geboren wurde, er heirate 1907 Carlina Schäfer Liewald (1889 – 1964); sie hatten 9 Kinder.
Carlos Brintrup (1917 – 1982) ist einer der 8 Söhne von Antonio und Carlina; er heiratete Clorinda Barrientos Muñoz. Das Paar sind die Großeltern von Patricia und ihrer Cousine Barbara, die ich ebenfalls über das Internet gefunden habe. Beide Enkelinnen ließen mir viele Informationen und Bilder der Familie aus Lateinamerika zukommen.
Die Schwester von Joseph ist Anna Brintrup Blume. Sie wurde am 6. Juni 1864 in Puerto Montt als erstes in Chile geborenes Kind von Franz Brintrup geboren. Ein Portraitfoto von ihr und ihrem Bruder Joseph habe ich bei MyHeritage gefunden, ebenso im Internet ein Grabsteinfoto mit der Inschrift: „Trennen ist unser Loos. Wiedersehen unsre Hoffnung.“ Anna Brintrup Blume hatte mit ihrem Ehemann Franz Joseph Knee Maiwurm (1857 – 1927) ebenfalls 11 Kinder; Franz Joseph wurde in Soest in Westfalen geboren.
Franz (auch Francisco Segundo) Brintrup Blume wurde am 3. September 1867 in Puerto Varas als Kind des Auswanderers Franz geboren; er heiratete 1892 Ana Catarina Schnettler (geb. 1869) und sie hatten 9 Kinder mit ebenfalls sehr vielen Nachkommen. Eine Ururenkelin von Franz und Ana Catarina ist Paula, sie war der „Erstkontakt“ der vielen „neuen Cousinen“. Sie ist meine 6. Cousine zweiten Grades. Eine Enkelin von Franz, ihr Name ist Maria Rosa Brintrup Schwerter, wanderte im Jahre 1951 nach Rio de Janeiro/Brasilien aus (gefunden über ein Record Match). Auch Joaquin konnte ausfindig gemacht werden, er ist ebenfalls ein Ururenkel von Francisco Segundo und lebt heute in Ulm in Deutschland. Er schrieb mir von einem Familienbesuch in Roxel (Münster) und der dortigen Übernachtung im „Hotel Brintrup“.
MyHeritage war mir bei der Erstellung meines „Chilenischen Familienzweiges“ eine große Hilfe, denn durch die vielen Record- und Smart-Matches wurden viele Ahnen und Familienmitglieder aus anderen Stammbäumen angezeigt. Mittlerweile sind schon fast 150 „Südamerikaner“ dazu gekommen und ich bin sicher, dass es viele neue Matches geben wird.
Eigentlich hatte mich das Thema Auswanderung in der Ahnen- und Familienforschung bisher gar nicht so interessiert und es gab wenige Berührungspunkte. Aber jetzt mit diesem „Zufallsfund“ und den vielen neuen Verwandten in Chile ist bei mir die Begeisterung ausgebrochen. Da die Brintrups hunderte von Nachkommen in Chile haben, gibt es da noch eine ganze Menge zu forschen. Vielleicht gibt es bald eine „DNA-Match“, aber das ist ein anderes Thema, welches auch zu meinen Forschungsgebieten gehört.