

Heute haben wir einen ganz speziellen Beitrag für euch! Wir möchten nämlich dem Heimatverein Striegistal e.V. bei der Suche nach einer ganz bestimmten Person helfen. Die Mitglieder des Vereins arbeiten fleißig an zahlreichen Beiträgen. Es werden Themen aus der Region, aus der Geschichte der Gegend und der Arbeit des Vereins erläutert. Ganz besonders freut sich der Verein, wenn Bürger mit interessanten Beiträgen die Arbeit des Heimatvereins unterstützen oder von früheren Begebenheiten bzw. Sehenswürdigkeiten berichten.
Und so kommen wir zu dem Autor unserer heutigen Geschichte: Franz Schubert. Ob zur Ortschronik, zur Geschichte, aber auch zur Entwicklung dieser schönen Gegend, bei ihm bleibt keine Frage offen. Längst haben sich seine Ortsführungen, Wanderungen und Erzählungen in verschiedenen Beiträgen einen guten Namen gemacht. Er recherchiert in Archiven, ist der Ansprechpartner bei der Aufarbeitung der Geschichte des Striegistals, archiviert alte Dokumente und pflegt erhaltene Güter der Vorfahren.
Gerne möchten wir also heute dem Verein und ganz besonders Herrn Schubert helfen. Viel Spaß beim Lesen seines emotionalen Artikels und meldet euch bitte bei mir, wenn ihr in irgendeiner Art und Weise weiterhelfen könnt. Jede Information kann hilfreich sein!
„Es kann im Jahre 1998, vielleicht auch 2000 gewesen sein, wir wissen es leider nicht genau. Ein gut gekleideter Mann in den besten Jahren, er mag so um die 50 sein, steht auf dem Hof des Pappendorfer Erbgerichtes. Er kommt aus Warschau, der polnischen Hauptstadt. Viel hat ihm seine Mutter über diesen Hof und seine damaligen Bewohner erzählt, er versucht sich zu erinnern. 1945. Die Rote Armee steht an der Oder, der Krieg kommt immer näher. Die sowjetischen Truppen rüsten sich für den Sturm auf Berlin. Sophie und Joseph, zwei junge Menschen aus Polen, Zwangsarbeiter auf dem Erbgericht, erwarten ihr erstes Kind.
Als der kleine Henryk, so nennen sie den Jungen, wenige Wochen alt ist, wird er von seinen Eltern getrennt und in ein Kinderheim für ausländische Kinder gebracht. Alle Bitten der jungen Eltern helfen nicht, die Entscheidung ist unwiderruflich. Doch sie hören nicht auf zu bitten, ja, zu flehen! Da bekommen sie ein Angebot: „Wenn ihr eine deutsche Familie findet, die ihn aufnimmt, bekommt ihr den Jungen wieder.“ Wer soll aber dieses Risiko auf sich nehmen? Die jungen Eltern sind ratlos. Doch ein Funke Hoffnung glimmt noch in ihnen.
Sie kennen, durch ihre Arbeit auf den Feldern des Gutshofes, eine Frau, die mit ihren Töchtern in einer kleinen Wirtschaft auf dem „Goldenen Rand“ wohnt, der Mann ist im Krieg. Sie redet mit ihnen, sie behandelt sie menschlich und beweist damit, dass sie Mut hat. Die beiden Polen fassen sich ans Herz, sie tragen, zunächst zaghaft, dann inständig bittend, Charlotte Pfeil ihr Anliegen vor. Die zögert lange, schließlich hat sie selbst Kinder, trägt für sie Verantwortung. Doch dann gibt sie nach, ihre schlichte Menschlichkeit ist stärker als ihre Angst. Bald darauf zieht der kleine Henryk bei ihr ein. Seine Eltern können ihn nun jeden Tag sehen, sie sind überglücklich. Aus einem „Häufchen Elend“ wird bald ein gesunder und fröhlicher Junge, Charlotte Pfeil pflegt und umsorgt ihn, als wäre es ihr eigenes Kind.
Mai 1945. Der Krieg ist aus. Auf dem Reichstag in Berlin weht die rote Fahne mit Hammer und Sichel. Alle Zwangsarbeiter sind frei, der Weg nach Hause ist offen. Mit einem Kinderwagen, den ihr jemand geschenkt hat, den kleinen Sohn und ihre wenigen Habseligkeiten darin verstaut, macht sich Sophie auf den Weg in ihre polnische Heimat, auf den Weg in eine ungewisse Zukunft. Joseph ahnt, dass die siegreichen sowjetischen Truppen nicht zimperlich sein werden. Er bleibt noch ein paar Tage, um die Menschen, die ihm und seiner Familie geholfen haben, vor dem Ärgsten zu bewahren. Dann bricht auch er auf. Ob er Frau und Kind jemals wiedersehen wird?
Jahre vergehen. Manchmal erinnert sich Charlotte Pfeil, inzwischen Charlotte Kowalewski, noch an Sophie, Joseph und ihr kleines Pflegekind Henryk. Ob sie wohl überlebt haben? Sie wird es nie erfahren.
1998 / 2000. Auf dem Hof des Erbgerichtes in Pappendorf erwacht der gut aussehende Mann aus Warschau aus seinen Träumen. Er, der mit seiner Mutter im aufregenden Mai des 1945er Jahres tatsächlich die Heimat erreichte, später studierte, ist eigentlich nach Pappendorf gekommen, um der Frau, die ihm einst das Leben rettete, zu danken. Leider zucken die Bewohner des Erbgerichtes auf seine Frage nach einer Frau Pfeil nur mit den Schultern, sie kennen sie nicht. Er wiederum kann nicht wissen, dass diese nach dem Tod ihres Mannes noch einmal geheiratet hat, den Namen Kowaleski trug und nun bereits verstorben ist.
So fährt er zurück nach Polen, vielleicht mit ein wenig Traurigkeit, aber auch mit Dankbarkeit für eine mutige Frau, die er nie kennen lernen konnte, die er aber nicht vergessen wird. Jahre danach erfährt die Tochter von Charlotte Kowalewski, Inge Thomas, über diese Geschichte, doch es ist zu spät. Es gibt keine Spur, die zum in Pappendorf geborenen Polen Henryk führen könnte.
Aus ihrem Erzählen und den Erinnerungen ihrer älteren Schwester Margot konnte diese Geschichte hier niedergeschrieben werden.“