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„Wir hatten damals in der Schule ein Jahr lang Sütterlin-Unterricht als Schönschrift-Übung„, erzählt Helga Lohfeld von ihren eigenen Anfängen in den 50er-Jahren. Seitdem habe sie alles gelesen, was sie in Sütterlin in die Finger bekam. Für Briefe an den Vater und an Freunde wie etwa die zehn Jahre ältere Kegelschwester verwendete sie diese spezielle Schreibschrift ebenfalls. „Ich hatte einfach Spaß daran.“ Mit einem in Sütterlin abgefassten Brief konnte sie nach dem inspirierenden Fernsehbericht dann auch den Vorsitzenden des Vereins Seniorenzentrum Alte Wache, Gerd Göde, von ihrer Idee überzeugen.
Er sah Potenzial in dem Angebot, weil noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts Testamente, Urkunden und Familienbücher in Sütterlin angefertigt wurden. Schriftstücke also, die für die Kinder und Kindeskinder durchaus noch von Interesse sein könnten. Und so startete er einen Teilnahme-Aufruf in der Zeitung. „70 Leute meldeten sich auf Anhieb – sogar aus Syke und Wachendorf„, erzählt Helga Lohfeld.
Das führte dazu, dass sie statt einem gleich zwei Übungstage anbieten konnte – dienstags von 15.30 bis 17 Uhr und mittwochs von 9.30 bis 11 Uhr. Dennoch kamen erst einmal nur rund 20 Frauen und Männer zum Zuge. „Aber ich mache ja keinen Unterricht nach festem Plan, sondern gebe je nach Bedarf, Anliegen und mitgebrachtem Text Hilfestellungen„, beschreibt Helga Lohfeld den Kursinhalt. Und weil auch keine Teilnahmegebühr erhoben wird, kann jeder ganz zwanglos so lange teilnehmen, bis er meint, dass es langt. Wenn dann wieder Plätze frei werden, ruft Helga Lohfeld einfach die nächsten Kandidaten auf der Warteliste an.
Manche will an ihren Sütterlin-Fertigkeiten feilen. Sie ist wegen eines alten Aufsatzheftes ihrer Schwiegermutter aus dem Jahre 1917 in die Alte Wache gekommen. „Ich konnte vorher überhaupt kein Sütterlin, wollte die Aufsätze aber zu gerne lesen.“
Eine Teilnehmerin hatte die Schrift immerhin ein halbes Jahr in der Schule, damals 1954 in Bremen. „Die Briefe von den Großeltern konnte ich dann auch tatsächlich lesen„, erzählt sie. Aber wie das so sei: Sobald man mit dem Üben nachlasse, vergesse man das meiste wieder. Nun sei sie zum Auffrischen hier. „Ich wollte das mal richtig lernen – inzwischen schreibe ich sogar meine Einkaufszettel in Sütterlin, um im Training zu bleiben„, verrät sie.
Eine weitere Teilnehmerin hat das Poesiealbum ihrer Großmutter mitgebracht, um den Inhalt mit Hilfe Helga Lohfelds erst einmal abzuschreiben. „Denn die alte Bleistiftschrift verschwindet langsam.“
Dass die Texte verschütt gehen, wäre in der Tat schade – denn neben zahlreichen Sinnsprüchen von Freundinnen und Mitkonfirmandinnen finden sich Rezepte zum Einkochen von großen Bohnen und Rotkohl auf den vergilbten Seiten. Und das durchaus auch mal direkt über oder unter den poetischen Texten. „Damals war Papier wohl knapp„, kommentiert die Melchiorshauserin amüsiert. Den schönsten Spruch aber habe der Lehrer ihrer Großmutter ins Album geschrieben: „Wenn dich die bösen Buben locken, so folge ihnen nicht.“
Aber nicht nur Nützliches und Unterhaltendes haben die Teilnehmer zum Entschlüsseln dabei, sondern auch Aufwühlendes. „Eine Teilnehmerin ist mit einem Brief aus der Kriegszeit hergekommen„, berichtet Helga Lohfeld. Darin schildere ein Kamerad ihres Großvaters, wie dieser zu Tode gekommen sei. Wieder andere Teilnehmer bräuchten Sütterlin-Nachhilfe, um bei ihrer Ahnenforschung weiter in die Vergangenheit vorzudringen.
Aber die Schrift hat so ihre Tücken. „Das Schreiben ist knifflig„, findet Inge Fangmeier. „Vor allem, wenn man gelernt hat, immer schön rund zu schreiben„, pflichtet ihr Ingeborg Wessels bei. „Die Sütterlin-Schrift ist so spitz.“ Wobei die eigentlich schon die rundere Variante der sogenannten deutschen Schrift (auch als Kurrentschrift bezeichnet), wie Helga Lohfeld erläutert. „Die hat Herr Sütterlin nämlich für die Schule etwas vereinfacht.“
Gewöhnungsbedürftig ist trotzdem, dass beim M und beim W tüchtig „gehakelt“ wird und es für den Buchstaben S (zusätzlich zur Sonderform ß) gleich zwei verschiedene Varianten gibt. Taucht das S im Wort auf, wird es wie eine überdimensionale 1 geschrieben. Kommt das S am Silben- oder Wortende vor, heißt der Buchstabe Schluss-S und hat die Form einer ausgefransten 6.
Da hilft nur üben. Und das wollen die Teilnehmer. Allerdings geht ihnen so langsam das Material aus. „Die Übungen aus dem Lehrheft können wir fast schon auswendig„, bestätigt Helga Lohfeld. Sie möchte jetzt in die nächste Phase eintreten und Sütterlintexte für andere übersetzen.
In manchen Städten und Kreisen werden Kurse für das Lesen alter Schriften von der Volkshochschule angeboten.
Auch bei MyHeritage.de gibt es Nutzer, die anderen Nutzer bei der Übersetzung von alten Schriftstücken helfen. Diese Unterstützung verdient unseren Dank und Respekt.
Quelle: Weser Kurier
Safari
4. Mai 2011
Ich glaube ja, dass es die Sütterlin heißt (Kurzform von Sütterlinschrift) lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.
Des weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass die Abgebildete Schrift keine Sütterlin ist, sondern eine Offenbacher.
Beide Schriften sind Abänderungen der Kurrent, wie im Artikel erwähnt wird. Man beachte auch Kurrent zu sagen, wenn man Kurrent meint, und nicht Sütterlin.
Das wäre, als wollte ich über die deutsche Sprache reden und sagte andauernd „die hessische Sprache“.