Das Geheimnis des Gesichtes

Das Geheimnis des Gesichtes

Unser Gesicht wirft viele Fragen auf: Warum wirkt ein großes Kinn auf Frauen anziehend? Warum zum Beispiel haben Menschen eine Nase? Darüber streiten die Forscher schon lange. Warum unsere Nase weiterhin so groß ist, obwohl sich unser Geruchssinn weiter zurückentwickelt, gibt Forschern auf der ganzen Welt Rätsel auf. Als erwiesen gilt hingegen, dass uns ein starkes Gebiss, wie in der Tierwelt üblich, nur unnötig Energie verbrauchen ließe. Durch den Wegfall der ausgeprägten Kiefermuskulatur haben wir nun mehr Platz für unser Gehirn.
Der Mund ist der älteste und der bedeutenste Teil des Gesichts, der uns vom Tier unterscheidet.
Die Aufgabe der Augen: Bewegungen erkennen und blitzschnell weitergeben. Mit Blicken lässt sich jedoch auch kommunizieren.

Die Formen der Gesichter sind sehr Vielfältig, sie unterscheiden sich fast so deutlich wie Fingerabdrücke. Gerade deshalb ist die Entstehungsgeschichte des Gesichtes eine Herausforderung für Anthropologen.

Im Laufe der Menschheitsentwicklung war ein wichtiger Schritt die Veränderung von Schnauze zu Mund, eine Verflachung des Gesichtes. Die Wissenschaftler rätseln noch welche Vorteile dies bringt. Eine mögliche Antwort ist: „Was man nicht braucht, kostet nur Energie, und die Veränderung unserer Nahrung, zunächst weg vom Fleisch und harten Blättern, hin zu weicheren Früchten, verringerte zügig die Anforderungen an Kiefernmuskeln und Zähne.“ Beides wurde kleiner, und was der Vormensch dabei an Platz und Energie einsparte, investierte er in die Bildung: „Statt des Kauapparates hatte nun das Gehirn mehr Platz im Kopf.“

Während der Evolution brachte die Entdeckung des Feuers wieder eine Veränderung mit sich, Fleisch wurde gegart, das Gebiss passte sich an. Das geflügelte Wort „Der Mensch ist, was er isst“ gilt also zuallererst für das Gesicht, und da wiederum besonders für den größten seiner Eingänge. Die Bedeutung des Mundes mag man auch daran erkennen, dass er der älteste Teil des Gesichts ist, sein Ur-Merkmal. Ein flacherer Mund ist also von Vorteil, daher spielt er auch eine große Rolle bei der sexuellen Selektion, um dem Vorteil im Sinne der Evolution zu schnellerem Durchbruch zu verhelfen.

Die Nase, das hervorragendste Merkmal des menschlichen Gesichts, stellt die Forschung wieder vor eine Frage: „Keine Ahnung, warum wir so große Nasen haben, die Biologen tappen da auch im Dunkeln. Wir brauchen solchen Nasen ja nicht.“
Wozu solche Zinken, Gesichtserker, Rüssel und wie die Spottnamen alle heißen, die schließlich nicht aus Zufall entstanden? Der Geruchssinn bildet sich zurück beim Menschen. Im Zeitalter des Haltbarkeitsdatums wird er unnötig, bisweilen ist er sogar lästig.
Bei der Suche nach Gründen für die unnötige Übergröße der Nase kommen Forscher auch auf ausgefallene Ideen: Der Psychologe T.G.R. Bower meint, wir brauchen eine Barriere zwischen unseren beiden Augen, weil die parallel nach vorne blicken, um Dreidimensionales erfassen zu können.

Es gibt einige Merkmale in unserem Gesicht, deren Sinn und Zweck nicht ersichtlich sind. Z. B. unser Kinn, kein anderes Lebewesen besitzt ein Kinn. Vielleicht ist es zufällig entstanden, als die Schnauze sich zurück entwickelte. Das Kinn zählt zu den am unterschiedlichsten ausgeprägten Gesichtsmerkmalen. Gerade dies könnte ein Beleg dafür sein, dass es eigentlich überflüssig ist. Fand Darwin doch heraus, dass die im Laufe der Zeit unnütz gewordenen Relikte wie der Blinddarm eine weit vielfältigere Gestalt auszeichnet als die lebensnotwendigen Organe, bei denen sich, logisch, das nützlichste Design durchsetzt.Interessant ist, dass bei männlichen Wesen das Kinn während der Pubertät in Reaktion auf das Testosteron wächst, ein größeres Kinn deutet also auf ein reichhaltigeres Vorhandensein dieses Hormons hin.

Die Menschen können Gesichter so genau erkennen, bis ins Detail, wie es kein Tier vermag. Die Augen von Adlern und anderen Raubtieren sind scharf und weitsichtig, aber sie erfassen nur Bewegungsmuster. Dies lässt sich wahrscheinlich darauf zurückführen, dass unsere Vorfahren lernen mussten auf kleine Details zu achten, vor allem bei der Suche nach Nahrung. Und da unsere Vorfahren schon mal lernten, auf kleine Details zu achten, ließ die Evolution ihnen – als damals bereits höchst soziale Wesen – auch die Fähigkeit angedeihen, solche Details selbst zu produzieren: Gesichtsausdrücke entfalten und damit differenziert zu kommunizieren.

Eine Fähigkeit, die viele Millionen Jahre älter ist als die Sprache. Was daran festzumachen ist, dass neben den Menschen auch Schimpansen und alle anderen größeren Affen, von denen sich unser Stammbaum damals trennte, weit mehr Gesichtsmuskeln haben als andere Tiere.

Das Gesicht bleibt also weiterhin ein Geheimnis, auch wenn wir jeden Tag in viele Gesichter schauen. Unser Gesicht macht uns einzigartig.