Woher kommen und was bedeuten Familiennamen in Deutschland?

Woher kommen und was bedeuten Familiennamen in Deutschland?

Heute schauen wir uns mal deutsche Nachnamen konkreter an. Früher trugen die Menschen nur einen Namen. Die Zunahme der Bevölkerung zwang dazu, Menschen, die z.B. Heinrich hießen, zu unterscheiden. Der Beginn setzt etwa im 12. Jahrhundert ein. Das geschah am Anfang zumeist mit Zusätzen, die zunächst oft lateinisch waren (z.B. dictus ‚genannt‘), später auch mit deutschen wie genant ‚genannt‘, giheizen/heisset, den man sprichet ‚den man nennt‘ u.a.

Das sah dann so aus: Cunradus dictus Faber; Heinricus dictus Kreier; bruder Egebreht dem man sprichet der Wolhuser, Hans Rot genannt Rotlieb, Hainrich bi dem Bach. Aus diesen Zusätzen haben sich dann allmählich die heutigen Nachnamen entwickelt: Heinrich dictus Schneider > Heinrich Schneider.

Nicht immer haben sich diese Beinamen auch zum Familiennamen verfestigt. Seit dem 15./16. Jahrhundert hat sich dann aber ein Beiname zum Familiennamen entwickelt, d.h. er ist erblich geworden und wurde auf die Kinder und Nachkommen übertragen.

Woher stammten die Zusätze? Es gibt im Grunde genommen vier große Bereiche, aus denen sie gewonnen wurden:

1.Rufnamen, ursprünglich zumeist zweigliedrig wie Berthold, Burkhard, Degenhardt, Leonhart, Siegmund, Volkmar, Wolfram, später dann gekürzt zu Siggi, Volker, Wolf, Günter, Bernd, Gerd, Kurt. Das Interessante an Namen ist, dass in ihnen alte Wörter enthalten sein können, die heute nicht immer mehr verständlich sind: z.B. ask „Speer“, beraht „hell, strahlend“, degan „Krieger,“, fruma „Nutzen, Vorteil, Segen“, hagen „umfriedeter Ort“, wig „Kampf, Streit“, witu „Holz“. Einen hohen Anteil nehmen Namen aus dem Christentum, aus der Kirche ein, z.B. Johannes, Nikolaus, Petrus, Matthias, Jacobus, dazu Verkürzungen wie Alex, Christoph, Nickel, Franz.

2. Familiennamen nach der Herkunft, z.B. nach der Stammeszugehörigkeit wie Baier, Franke, Friese, Holländer, Preuß, Sachse usw. Auch Ortsnamen sind oft die Grundlage: Hans von Nürnberg > Hans Nürnberger, Bamberger, Bielfeld, Erfurt, Fischbeck, Oldenburg. Oder auch sogenannte Wohnstättennamen, die sich auf die Lage des Wohnsitzes einer Person beziehen. Sie enthalten oft Flurnamen: Althaus, Birnbaum, Brückner, Buschmann, Holzer, Lindemann, Weidemann, Kirchhof, Angermann usw.

3. Familiennamen aus Berufsbezeichnungen. Sie bilden eine große Gruppe innerhalb der deutschen Familiennamen, fast jeder dürfte die folgenden kennen: Bauer, Pflüger, Schäfer, Jäger, Becker, Koch, Müller, Schmied/Schmidt, Stellmacher, Wagner, Gerber, Schuhmacher, Weber, Schneider, Zimmermann, Kaufmann, Krüger, Richter, Meier, Hofmann, Lehmann.

4. Familiennamen aus sogenannten Übernamen. sie entstanden durch Bezeichnungen für Aussehen, Charakter, Gewohnheiten u.ä., wie z.B. Kraus (krause Haare), Dick, Groß, Klein, Lang, Schimmelpfennig („Geizhals“), Jung, Ritter, Bär, Fink, Fuchs, Hase, Storch, Vogel, Knobloch.

Man schätzt, dass es in Deutschland ca. 850.000 verschiedene Familiennamen gibt. Eine unglaublich hohe Zahl!

Und wie geht man vor, um einen Familiennamen zu erklären?

Man muss sich zunächst einmal darüber im Klaren sein, dass jeder Name ursprünglich einmal eine Bedeutung gehabt hat. Zumeist habe andere Menschen den Namen gegeben, indem sie einen ihnen bekannten Menschen mit einem Wort belegt haben, das ihn näher bezeichnete: z.B. Schneider deshalb, weil er Schneider war.

Bei der Deutung geht man zumeist so vor, dass man mit Hilfe von Telefon-CDs eine Verbreitungskarte erstellt. Eine CD für Deutschland (man nutzt zumeist eine Ausgabe von ca. 1990-2000, weil inzwischen viele Handys besitzen, die keine Angabe über den Wohnort enthalten) enthält ca. 35 Millionen Namen und somit fast 50% der Bevölkerung. Das reicht völlig aus, um sichere Angaben zu erhalten. Umfragen vor Wahlen usw. begnügen sich mit ca. 1.500 Personen – und die Angaben treffen oft sehr genau die Stimmung in der Bevölkerung.

Die Verbreitung in Deutschland entscheidet schon fast immer darüber, ob der Name im heutigen Deutschland entstanden ist oder erst durch Zuwanderung, zumeist infolge des 2. Weltkriegs, hier her gekommen ist.

Die Deutung eines Familiennamens ist nicht immer einfach. Das liegt daran, dass Namen oft auf Wörtern beruhen, die aus dem Mittelhochdeutschen oder Mittelniederdeutschen stammen und daher einem Sprecher des Deutschen nicht mehr bekannt sind. Sprachen sind lebendig und im Verlauf der Entwicklung können Wörter verschwinden, sie sterben. Aber in Namen, auch in Orts- und Flussnamen, bleiben sie erhalten. Und wenn ein derartiges Wort in einem Namen steckt, kann ein heutiger Sprecher den Namen nicht erklären. Dazu muss man Kenntnisse der Geschichte des Deutschen haben, vor allem auch des Niederdeutschen, das früher in Norddeutschland, z.B. zur Zeit der Hanse, die herrschende Sprache des gesamten Ostseeraums gewesen ist.

Schwierige Namen kann nur ein Sprachwissenschaftler, der sich mit den historischen Schichten der Sprachen auskennt, klären. Das ist schon für deutsche Namen nicht immer einfach, erst recht nicht für die sorbische und dänische Minderheit, aber in Deutschland kommt noch ein weiteres, großes Problem hinzu. Es betrifft in dieser Dimension fast nur Deutschland (ähnlich nur Österreich und zu einem geringeren Teil Polen): es geht um die katastrophalen Folgen der Bevölkerungsverschiebungen in Folge des 2. Weltkriegs. Ca. 16 Millionen Flüchtlinge, Umsiedler und Vertriebene sind nach 1945 nach Deutschland gekommen.

Woher kommen deren Namen?

Keineswegs nur aus dem Deutschen, sondern aus sämtlichen Sprachen Ost- und Südosteuropas, so etwa aus dem Polnischen, Jiddischen, Tschechischen, Französischen, Baltischen (Altpreußisch, Litauisch, Lettisch), Weißrussischen, Ukrainischen, Russischen,  Rumänischen, Ungarischen, Slowenischen, Kroatischen, Serbischen, Bulgarischen u.a.m. Wer einen Namen aus diesen Sprachen lösen will, muss Kenntnisse der slawischen, baltischen finnougrischen, romanischen, türkischen und anderen Sprachen haben, und nicht nur der heutigen Sprachen, sondern auch der historischen Entwicklung der Sprachen einschließlich ihrer Dialekte. Das ist, man wird das sicher verstehen, alles andere als einfach.

Es gibt nur wenige Institutionen in Deutschland, die diese Aufgaben lösen können. Und es erfordert Zeit und Geduld. Eine fundierte Auskunft ist daher auch nicht umsonst zu bekommen.

Aber man kann und darf hinzufügen, dass aus dem großen Bereich der Sprachwissenschaft zweifellos die Namenforschung auf das größte Interesse der Menschen stößt. In erster Linie betrifft das die Familiennamen, aber auch nach Vornamen, Ortsnamen und Gewässernamen wird oft gefragt. Letztere sind besonders schwierig, denn sie sind alt, z.T. sehr alt. Ihre Lösung ist mit besonderen Problemen verbunden.

Deutsche Nachnamen - Prof. Dr. UdolphDieser Beitrag wurde von Prof. Dr. Jürgen Udolph geschrieben. Der Namenforscher, vierfache Familienvater und langjährige Professor der Universität Leipzig ist heute der gefragteste Experte, wenn es um die Deutung von Namen geht. Er hat in den letzten zehn Jahren mehr als 10.000 Namen erforscht.

Bemerkungen

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  • Halbritter

    20. Mai 2020

    Halbritter Anton

  • witte

    20. Mai 2020

    Name niederdeutschen-Ursprungs

  • Dörrhöfer

    21. Mai 2020

    Dörrhöfer

  • Werner O. Hamann

    21. Mai 2020

    Was würde es denn kosten, die folgenden 3 Familiennamen vom Ursprung her zu deuten:

    – Hamann,
    – Besler und
    – Fibiger

    LG Hamann

  • Thomas Dunger

    22. Mai 2020

    Dunger

  • Nocker

    22. Mai 2020

    Woher stammt der Name Nocker?

  • Fritzsche

    23. Mai 2020

    Es gibt wohl schon zwei Deutungsmöglichkeiten für meinen Familiennamen. Entweder mundartlich hessisch oder auch badenerisch herausgebildet aus dem „Fritzchen“, dem kleinen Fritz. Oder im Preussischen abgeleitet von den strammen Jungs vom „Alten Fritz“. Würde mich schon interessieren, was der Experte davon hält oder ob er eine ganz andere Version parat hätte! Würde auch dafür, falls es in eine Expertise münden würde, gerne etwas bezahlen.

  • Frank Besmer

    24. Mai 2020

    Hallo!
    Die Herkunft unseres Familien-
    namen Besmer interessiert mich sehr…Vorfahren stammen
    aus Westpreußen…Lauenburg..
    Wer kann helfen?
    Grüße Frank

  • Klonig

    24. Mai 2020

    Wäre an einer Analyse zu meinem Namen nach vorheriger Kostenklärung interessiert. Vielen Dank und Grüße

    • S

      Silvia

      26. Mai 2020

      Hallo zusammen, alle, die daran interessiert sind mehr über den eigenen Namen zu erfahren, sollten sich bitte direkt mit dem Team von Prof. Dr. Udolph in Verbindung setzen. Siehe hier: Schöne Grüße!

  • Marion Martin

    27. Mai 2020

    Marion Martin Ich versuche schon mehr als 10 Jahre meine Familie zu erforschen. Dazu habe ich mich an ein Forschungsinstitut in Wien gewandt. Leider bin ich sehr enttäuscht über das Ergebnis. Nur ab kopierte Hinweise. Der spaß hat mich 240,00 € gekostet. Nun habe ich mich beschwert und festgestellt das es das Institut in der Gudrunstr. 25 A-1100 Wien ( Internationales Forschungsinstitut für Ahnen, Namen und Wappen ) gar nicht gibt. Dabei wollte ich über die Entstehung der Namen Spiegel und Höfer etwas in Erfahrung bringen. Ich habe mehr über meine Familien bei MyHeritage erhalten und möchte mich rechtherzlich dafür bedanken.
    Was würde mir die Erforschung der Herkunft der Namen Spiegel und Höfer kosten. Vielen Dank. Marion Mar

  • Schramm

    13. Juli 2020

    – DIERICH
    – DOBERG
    – IBSCH
    – SCHISKALE