Ein Stammbaum mit 78.000 Personen! Ist das möglich? Michael Johne aus Bremen, 32 Jahre jung, erzählt, wie er zur Ahnenforschung kam, obwohl er so wenige Ausgangspunkte hatte und warum er trotzdem so erfolgreich wurde.
Viel Spaß beim Lesen!
MyHeritage: Wie ist Ihr Interesse für die Ahnenforschung entstanden?
Michael Johne: Kurioserweise weiß ich leider nicht mehr, wie mein Interesse zur Ahnenforschung entstand. Die Interesse war plötzlich da; so, als hätte jemand den Lichtschalter umgelegt und das Licht angemacht. Mittlerweile betreibe ich seit ca. 6-7 Jahren meine Ahnenforschung.
MyHeritage: Wie weit geht Ihre Forschung in die Vergangenheit zurück und was haben Sie bis dato über Ihre Familiengeschichte entdeckt?
MJ: Meine Ahnenforschung reicht bei einigen Vorfahren bis in das 15./16. Jahrhundert zurück. Der momentan früheste Vorfahre wurde um ca. 1460 geboren und hieß Johannes Meister. Sein Geburtsort ist zwar nicht dokumentiert, jedoch kann man als Wirkungsort das heutige Siegen-Wittgenstein ansehen. Meine Vorfahren kommen aus den deutschen Bundesländern Sachsen, Brandenburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Aber auch aus den Ländern Polen, Schweiz und vermutlich Tschechien kommen meine Vorfahren her.
Leider wurde mir nur sehr wenig Foto- oder Dokumentenmaterial meiner Vorfahren überliefert. In erster Linie sind nur die reinen Infos über Geburt, Ehe und Tod erhalten geblieben. Andere Infos über mögliche Schicksalsschläge oder Erzählungen von Verwandten/Vorfahren aus dem Alltag fehlen mir leider ebenso. Diese Dinge verleihen einer Ahnenforschung erst den nötigen Pepp und machen sie erst richtig spannend.
Der wahrscheinlich bisher größte Knaller während meiner Ahnenforschung war, dass einige Vorfahren aus der Schweiz kamen. Nachdem der Dreißigjährige Krieg in Deutschland gewütet hatte, wanderten viele Schweizer in Hoffnung auf bessere Arbeit in die Kurpfalz aus. Einer dieser schweizerischen Auswanderer war ein Vorfahre, den es schließlich nach Westfalen verschlug und er sich dort niederließ. Er ist zugleich Gründer des deutschen Nachnamens ROTHENPIELER, welcher sich vom schweizerischen Nachnamen ROTHENBÜHLER ableitet. Bei dem Nachnamen handelt es sich um den Ortsnamen Rothenbühl. Es ist auch heute noch ein kleines Gehöft der Gemeinde Trachselwald im schweizerischen Kanton Bern. Diesen kleinen Ort habe ich vor wenigen Wochen besucht.
Meine Vorfahren waren alle vom einfachen Volk. Adelige oder historisch berühmte Personen gibt es nicht. Blickt man jedoch über den Tellerrand und bezieht mehrfach angeheiratete Verwandtschaften mit ein, so findet man wieder schnell weitreichende Verbindungen zu historisch berühmten und bekannten Personen wie Martin Luther, Hildegard von Bingen oder Werner von Braun. Aber man findet auch Zugänge zu größeren Gesellschaften wie der althessischen Ritterschaft, dem Haus der Habsburger und sogar in fernöstliche Gefilde. Schließlich finden alle Wege wieder zurück zu Adam und Eva. Wer solche Wege nimmt, sollte sich allerdings im Klaren sein, dass mit zunehmenden Kreisen der Crème de la Crème die Authentizität und Belegbarkeit dieser Personen schwächelt und es Fehler innehat. Nichtdestotrotz macht es irgendwie Freude, in den Tiefen der Menschheitsgeschichte herumzugraben.
MyHeritage: Was sind Ihre Ziele in der Ahnenforschung?
MJ: Das primäre Ziel meiner Ahnenforschung ist das Auffinden meiner Vorfahren und das Erfassen der Ahnenverwandten. Es ist gleichzeitig auch der „heilige Gral der Ahnenforschung“, so tief wie möglich in die Geschichte der Vorfahren einzutauchen und den frühesten Vorfahren zu finden. Als weiteres, sekundäres Ziel ist das Verknüpfen von sämtlichen verwandten Personen und (mehrfach) angeheirateten Verhältnissen anzugeben.
Gern träume ich auch einmal, die Angaben über meine Vorfahren und ihre Ahnenverwandten in einem dicken, aber lesenswerten Buch zu schreiben und es zu veröffentlichen. Der Weg dahin ist aber noch lang. Nicht alle Vorfahren und Ahnenverwandte von mir habe ich erfasst. Es gibt Ahnenlinien meinerseits, die bis ins 15./16. Jahrhundert reichen, aber es gibt auch Ahnenlinien, die bisher nicht über das 19. Jahrhundert in die Vergangenheit hinausgekommen sind. So reicht meine Vaterstammlinie nur 2 Generationen zurück, da mein Großvater väterlicherseits ein uneheliches Kind war, dessen biologischer Erzeuger mir bisher nicht bekannt ist. Aber auch auf Seiten der Mutterstammlinie kam ich über die 3. Generation noch nicht hinaus. Der Grund hierfür ist, dass man in Polen beginnen muss zu forschen, worin ich aber noch keine ersten Erfahrungen gemacht habe.
MyHeritage: Warum sollte man sich – Ihrer Meinung nach – mit der Familiengeschichtsforschung beschäftigen?
MJ: Ich denke, die Frage ist falsch gestellt. Sie sollte eher lauten: Was sind die Vorteile der Ahnenforschung in der eigenen Familie? Die Antworten können natürlich vielfältig und individuell sein. Nicht jede Familie muss einen persönlichen Ahnenforscher im Hause haben. Es reicht, wenn es eine Person diese Aufgabe für ca. 4-5 Familien übernimmt.
Für mich brachte die Ahnenforschung die Erfahrung im Sinne eines Vorteils, dass man einiges über die Fehler und Schicksalsschläge seiner Vorfahren und Ahnenverwandten in Erfahrung bringen kann und aus diesen lernt. So sagte einst der chinesische Licius: „Um die Früchte zu erkennen, achte auf die Wurzel. Studiere die Vergangenheit, um die Zukunft zu erkennen.“
Außerdem hält man durch die Familien- und Ahnenforschung die Familienbande aufrecht. Man pflegt den sozialen Kontakt und man informiert über aktuelle Anlässe und Neuigkeiten aus der Familie.
MyHeritage: Seit wann sind Sie bei MyHeritage registriert und was gefällt Ihnen auf der Webseite am Besten?
MJ: Ich bin nun seit dem November des Jahres 2012 bei MyHeritage registriert; also fast drei Jahre. Sehr gut gefallen mir die Features SmartMatches und RecordMatches. Bei diesen beiden Features konnte ich einige vermisste Angaben über einige Personen finden. Derzeit beinhaltet mein Familienstammbaum fast 78000 Personen.
MyHeritage: Hilft Ihnen Ihre Familie bei Ihrer Forschung? Sind Ihre Verwandten auch Mitglieder Ihrer Familienseite?
MJ: Ich habe leider die Erfahrung machen müssen, dass Ahnenforschung auf die breite Masse des Publikums eher eine einsame Tätigkeit ist, die man ausführt. Nur sehr wenige in der Familie helfen mir, um bestimmte Informationen zu erhalten, so z.B. mein Onkel, mein Großonkel oder meine Mutter. Bei den meisten Verwandten erhält man zwar Begeisterung mit vielen Ahs und Ohs, aber ansonsten hält sich die Begeisterung in Grenzen.
MyHeritage: Haben Sie unbekannte Verwandte bzw. Verwandte, die Sie gesucht haben, entdecken können? Wenn ja, sind Sie mit ihnen in Kontakt? Wie hat sich Ihr Leben seitdem verändert?
MJ: Verwandte im Sinne der nahen Familien konnte ich auf MyHeritage bisher leider nicht entdecken. Der Grund mag wohl darin liegen, dass meine nahe Verwandtschaft in der Ahnen- und Familienforschung nicht sehr ambitioniert ist. Diese Aufgabe löse ich eher durch persönliche Kontakte und Nachfragen innerhalb der Familie.
Jedoch konnte mit Hilfe von MyHeritage bereits ca. 200 verstorbene Ahnenverwandte ausfindig machen und so ausgelöschte Familienstrukturen rekombinieren. Erforscht sind diese Ahnenverwandte durch andere Ahnenforscher bereits und abgespeichert. Man muss nur diese Informationen finden und zusammentragen. Von daher vergleiche ich die Ahnenforschung auch mit einem Puzzle: Alle Infos sind bereits verfügbar, liegen wirr herum und müssen nur durch den Ahnenforscher richtig zusammengesetzt werden. Erst dann ergibt sich ein umfassendes Bild.
MyHeritage: Was können Sie anderen Menschen empfehlen, die erst kürzlich mit der Ahnenforschung begonnen haben? Welche Tipps haben Sie?
MJ: Wer kürzlich mit der Ahnenforschung begonnen haben sollte und das Gefühl hat, dass er nicht viel weiterkommt, der soll nicht verzagen und die Geduld wahren. Man sollte sich in sozialen Netzwerken und im Internet öffentlich präsentieren, um durch andere Ahnenforscher gefunden zu werden. Denn irgendwann kann es passieren, dass das Schicksal an der Tür klopft und sich ein anderer Ahnenforscher vorstellt, mit dem man gemeinsame Vorfahren hat und dieser euch mehr über eure Herkunft erzählen kann.
Diese Erfahrung habe ich gemacht, als ich das Gefühl hatte, dass ich mit meinem damals sehr kleinen Familienstammbaum nicht weiterkam, weil mir damals auch die nötige Erfahrung noch fehlte. Über das soziale Netzwerk „Wer kennt wen“ suchte ein Ahnenforscher aus Hessen meinen Bruder auf und stellte sich vor. Da ich durch gute Umstände an diesem Tag anwesend war, konnte man schnell einen Kontakt schließen. Dieser Umstand des Kennenlernens eines Ahnenforschers mit gemeinsamen Wurzel war der Ausgang für viele weitere, neue Erkenntnisse. Erst einmal einen Stein ins Rollen gebracht, so bekommt die ganze Sache richtig in Fahrt.
Vielen Dank Herr Johne für das Interview!
Habt ihr auch Lust, eure Familiengeschichte zu erzählen? Dann schreibt uns: germany@myheritage.com!
Remo
11. August 2015
Interessante Geschichte. Man findet sich darin irgendwie mit ähnlichen Erlebnissen und Erfahrungen wieder.
Geduld ist in der hektischen Zeit (immer schneller, immer grösser) eine Gabe, welche sehr vielen abhanden gekommen ist.