Meine Familiengeschichte: Sebastian’s Erfahrungsbericht, Teil II
- Von Silvia
Und hier der zweite Teil von Sebastian’s Familiengeschichte:
Die Amerikaner: Mehr durch Glück als durch tatsächliche Forschungen bekam mein Stammbaum einige Äste mehr. Inzwischen war für mich klar, dass mein Hauptanliegen in der Familienforschung erstmal die Erforschung meines Nachnamens sein würde und das ich versuchen wollte, alle Träger dieses Namens in einem Baum zu verbinden. Meine Linie hatte ich inzwischen bis zum Stammvater zurückführen können, aber, wie es früher nunmal üblich war, hatte der Mann ja nicht nur ein Kind. Durch die vielen Zuschriften, die ich vor Jahren bekommen habe, hatte ich zumindest eine ungefähre Ahnung, dass die “Sippe” nicht so klein war, wie ich anfangs vielleicht gedacht hatte. Gansauer ist übrigens ein Wohnstättenname wie ich nun endlich wusste. Ich danke den Menschen aus Windeck vor 400 Jahren, dass nicht der Beruf zum Familiennamen meines Stammvaters wurde, denn der war Schmied… Schon der erste Serienbrief hätte mich in diesem Falle arm gemacht!
Über verwandt.de hatte ich Kontakt mit Werner Hundhausen, einem Familienforscher, der im gleichen Ort seine Wurzeln hatte wie ich. Eines Tages bekam ich eine Nachricht, ob ich nicht Kontakt mit einer Dame aus den USA haben wolle, die die dortigen Gansauers erforscht. Erst Unglaube, dann Überraschung, dann natürlich freudige Erwartung. Da die Gansauers, soweit ich es bisher erlebt habe, eine recht sesshafte Familie sind, ist mir die Idee von Auswanderern bisher nicht gekommen.
Einige Stunden später hatte ich schon eine E-Mail von Caryl Davis, die sich erstmal riesig über den Kontakt freute. Die Sprachbarriere war absolut kein Problem und bis auf einige Fachthermina musste ich kaum das Wörterbuch bemühen. Nach einigen E-Mails, die im Minutentakt über den Atlantik gingen, hatten wir unser gemeinsames Bindeglied gefunden und lagen uns virtuell als neue Verwandte in den Armen.
Bilder und Daten wurden ausgetauscht und einige Wochen später waren wir auf dem neusten Stand, was der jeweils andere Familienzweig auf dem anderen Kontinent die letzten hundert bis zweihundert Jahre so getrieben hatte. Mein Vater fragte sofort nach dem reichen Erbonkel auf der Öl-Ranch, Caryls Verwandte wollten mehr über ihre Schlösser und vergessenen Adelstitel aus deutschen Landen wissen. So ist man auch in der Familienforschung nicht vor einem tiefen Griff in die Klischee-Kiste gefeit.
Man sagt, dass Entfernungen für Amerikaner anders sind als für uns Europäer, weil das Land einfach unglaublich groß ist. Dass Caryl aber die Entfernung zwischen Chicago und Windeck so einfach hinter sich lassen würde um an meinem ersten selbstorganisierten Familientreffen teilzunehmen, hätte ich nicht erwartet. Trotzdem war der Besuch einer amerikanischen Verwandten sowas wie das Sahnehäubchen auf der Torte, die dieser stressige aber trotzdem schöne Tag war. Wenn man, wie manche Familien, Übung darin hat sich jedes Jahr mit der gesamten Sippschaft zu treffen wird es bestimmt einfacher. Aber die einzelnen Familien kannten sich untereinander nicht. Niemand ( ausser mir vielleicht ) hatte den Überblick wer mit wem wie verwandt war. Leider hatte Cousine Gisela aus der Schweiz wegen einer bevorstehenden Knie-OP keine Zeit mir zu helfen und so ging ich “learning by doing” durch die harte Schule des Familienfest-Organisierens: Save-the-Date Karten, Einladungen, Ablauf-Plan ausarbeiten, Locations buchen, Gästeliste erstellen etc. etc.
Aber die Mühe hat sich gelohnt! Letztendlich sind über 50 Leute erschienen, wir hatten einen wunderbaren Gottesdienst in der Kirche wo unser aller Stammeltern getraut wurden, eine sonnige Wanderung durch die Gansau und ein tolles Kaffee-und Kuchenbüffet mit anschließendem Gesang. Ohne mir selbst auf die Schulter zu klopfen, war das ein echt toller Tag. Und ich glaube Caryl hat es auch genossen. Gerade die jüngeren Teilnehmer waren recht fit in englisch und ansonsten wird ja die Körpersprache überall verstanden. Wir ließen den Abend noch bei Wilhelm ( dem Familienforscher mit dem Ortsippenbuch ) bei Plaumenkuchen und Bier ausklingen und Caryl lud mich ein, sie doch auch mal in Amerika zu besuchen.
2010 – Besuch in Amerika
Mit ein bißchen Bammel betrat ich ca. ein Jahr später amerikanischen Boden. Was mich so alles im Land der unbegrenzten Möglichkeiten erwarten würde, wusste ich nicht. Ausser Caryl hatte ich mit den meisten Verwandten doch bisher nur E-Mail-Kontakt gehabt. Doch meine Bedenken wurden schon während der ersten Stunden zerstreut, als ich meine amerikanischen Verwandten traf, die erstaunlich zahlreich waren. Caryl hatte das geplante große Familientreffen gerade in die Zeit gelegt in der ich da sein würde, und so hatte ich auch dort die Möglichkeit viele Verwandte kennenzulernen. Gehört oder gelesen hatte ich ihre Namen alle schon und sie auch sie hatten schon von dem geheimnisvollen Cousin aus “Germany” gehört, der zu Besuch kommen sollte. Mit vielem hatte ich gerechnet, aber nicht damit über 100 Verwandte auf dieser “Reunion” anzutreffen. Zum ersten Mal war auch ein Zweig der Familie aus Pennsylvania dabei und wir hatten viel Zeit, uns alle auch einmal persönlich kennenzulernen. Drei Wochen verbrachte ich in Amerika und traf mich jeden Tag/Abend mit diversen Cousins und Cousinen verschiedenen Grades, die mir Chicago und Umgebung zeigten. Überraschend war auch, dass viele der “Jüngeren” sehr genau wussten, wer ihre Vorfahren waren und woher sie stammen. Dann stimmt es scheinbar doch, dass des Amerikaners liebstes Hobby nach der Gartenarbeit die Familienforschung ist.
Erste Bilanz: Was in 13 Jahren doch so alles passieren kann… Damals mit 17 war ich noch voll jugendlichem Leichtsinn davon überzeugt, schon bald das Familienwappen gefunden zu haben, mindestens einen verschollenen Adelstitel zusammen mit einem bescheidenen Herrenhäuschen und den Vorfahren, die von weit her kamen und deren Namen man in jedem Geschichtsbuch findet. Ok, ganz so extrem war es vielleicht nicht, aber auch nicht weit weg von der Wahrheit.
Wahrscheinlich kamen all diese Erwartungen auch hier von dem Wunsch zu wissen wer man ist, und die kleine Hoffnung dadurch etwas besonderer zu sein, wenn man eine wichtige Persönlichkeit zu seinen Vorfahren zählen kann. Aber das sind Träume die sich durch eine kleine Spritze Realität doch irgendwann verflüchtigt hatten. Hätte sich der Kleine, der damals seine Verwandtschaft auf einer Couch-Ecke unterbringen konnte, vorstellen können, dass er für seine Sippschaft irgendwann einmal einen Tanzsaal mieten müsste um sie unterzubringen? Wahrscheinlich nicht.
Heute bin ich unglaublich stolz auf meine Familie und würde sie nie anders haben wollen. Dadurch, dass ich nun meine Vorfahren teilweise erforscht habe und eine ungefähre Ahnung davon habe wie sie gelebt haben, weiss ich auch ein bißchen besser, wer ich selbst bin. Ich denke ganz tief drin ist das der Wunsch der jeden antreibt, der sich mit Familienforschung beschäftigt. Auch meinem ersten großen Ziel in meiner Forschungskarriere bin ich nun ein gutes Stück näher. Der Stammbaum von Roderich Gansauer (*1632 ) wächst und gedeiht und nach und nach hoffe ich alle Mitglieder meiner Sippschaft dort unterbringen zu können.
Danach werde ich mich wohl erstmal weiter mit den Vorfahren der mütterlichen Seite beschäftigen. 🙂
Peter Ernst
20. April 2011
Schöne Bilder!