Diesen Unterricht habe ich in Rheinland-Pfalz ebenfalls noch gehabt. Wir sollten es lesen und schreiben können. Ich habe noch ein Schönschreibheft aus dieser Zeit.
Altdeutsche Schriften: Wer kann das heute noch lesen?
- Von Silvia


Die Generation unserer Großeltern und Urgroßeltern beherrschte sie noch fließend, die altdeutsche Schrift, die früher als Schreibschrift in der Schule gelehrt wurde. Vor ziemlich genau 82 Jahren, im Januar 1941, wurde die altdeutsche Schrift allerdings von den Nazis verboten. Ein Comeback der alten Handschrift gab es nach Ende des Krieges nicht. Aber es gibt sie noch – verstaubte Schätze auf deutschen Dachböden in altdeutscher Schrift. Briefe und Dokumente, die lang gehütete Familiengeheimnisse, Schicksale und Geschichten unserer Vorfahren in sich wahren. Wer sich mit Ahnenforschung beschäftigt, wird früher oder später auf Schriftstücke in alter Schrift stoßen. Nur wer kann heute die altdeutsche Schrift noch entziffern? Mehr über altdeutsche Schriften und wie man sie lesen kann, erfahren Sie in diesem Beitrag.
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Welche Schriften gab es in Deutschland?
Alte Urkunden, Dokumente, Kirchenbücher oder handgeschriebene Briefe, Postkarten, ein Testament oder ein Rezept aus Großmutters Zeiten sind der Schlüssel zu unseren Wurzeln. Nur wer altdeutsche Schriften lesen kann, hat die Chance mehr über diese vergangenen Zeiten und unsere Vorfahren herauszufinden. Sie möchten altdeutsche Schriften lesen können? Fangen wir mit ein paar Grundkenntnissen an. Wie heißen die bekannten altdeutschen Schriften und seit wann gibt es sie? Wir geben einen Überblick über alte deutsche Schriften vom 16. Jahrhundert bis zum 20. Jahrhundert.
Gebrochene und runde Schriften
Kennen Sie den Unterschied zwischen gebrochenen und runden Schriften? Bevor wir uns den einzelnen altdeutschen Schriften widmen, folgt hier eine kurze Erklärung dazu. In der Typografie sowie in der Schreibschrift unterscheiden wir gebrochene und runde Schriftarten. Bei gebrochenen Schriftarten sind die Bögen der Buchstaben ganz oder teilweise unterbrochen. Diese Schrifttypen wirken traditionell und historisch – ebenso wie die altdeutsche Schrift. Runde Schriftarten hingegen weisen Bögen auf, die aus einer gleichmäßigen, fließenden Bewegung entstehen.
Die Fraktur ist ein Beispiel für eine bekannte gebrochene gotische Schrift, die seit Mitte des 16. Jahrhunderts die meistbenutzte Druckschrift im deutschsprachigen Raum darstellte. Die Antiqua ist hingegen eine lateinische, runde Schrift. Diese gut lesbare Schrift, wurde seit Mitte des 15. Jahrhunderts für den Buchdruck eingesetzt.
Die Deutsche Kanzleischrift
Zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert wurde die Deutsche Kanzleischrift für amtliche Schriftstücke und Dokumente angewendet. Diese verschnörkelte altdeutsche Schrift entstand aus der Bastarda, einer spätmittelalterlichen gebrochenen Schrift, die als Buchschrift gebräuchlich war. Die Kanzleischrift ließ sich zum einen flüssig schreiben, erfüllte aber andererseits auch die ästhetischen Ansprüche der damaligen Zeit.
Die Deutsche Kurrentschrift
Aus der Deutschen Kanzleischrift entwickelte sich im frühen 16. Jahrhundert die deutsche Kurrentschrift, die kurz als Kurrent bekannt ist. Diese altdeutsche Schreibschrift war seit Beginn der Neuzeit bis Mitte des 20. Jahrhunderts im gesamten deutschen Sprachraum die allgemeine Verkehrsschrift. Sie wurde auch deutsche Schreibschrift oder deutsche Schrift genannt.
Die Sütterlinschrift
Erst 1911 entwickelte der Grafiker und Buchgestalter Ludwig Sütterlin die Sütterlinschrift im Auftrag des preußischen Kultur- und Schulministeriums. Diese sollte das Erlernen der Deutschen Kurrentschrift für Schreibanfänger erleichtern. Hintergrund war unter anderem die Einführung der Stahlfeder, die die Vogelfeder ablöste, es aber den Kindern erschwerte, die anspruchsvolle Kurrentschrift zu Papier zu bringen. Sütterlin vereinfachte die Buchstabenformen, verringerte die Ober- und Unterlängen und stellte die relativ breiten Buchstaben aufrecht. Auf diese Weise schuf Ludwig Sütterlin eine Schrift, die sich in einem Zug aufs Papier ergoss. Unter dem Namen Deutsche Volksschrift wurde die Sütterlinschrift von 1935 bis 1941 in der Schule gelehrt.
Warum wurde die altdeutsche Schrift verboten?
Mit dem Schrifterlass vom 3. Januar 1941 untersagten die Nationalsozialisten die Verwendung der Druckschrift Fraktur und verboten die Handschriften Kurrent und Sütterlin. Der Hintergrund war antisemitisch. Demnach wurde die gotischen Schriften (Fraktur) mit dem Judentum in Verbindung gebracht (die sogenannten Schwabacher Judenletter). Fortan sollten für den Druck nur noch Buchstaben in lateinischer Druckschrift verwendet werden, mit dem Schrifttyp Antiqua. Rückblickend ist klar, dass die Begründung überaus zweifelhaft ist. Denn bei der Einführung des Buchdruckes Ende des 15. Jahrhunderts, Anfang des 16. Jahrhunderts, durften Juden wegen der damals geltenden Zunftregeln nicht in diesem Geschäft arbeiten und haben folglich auch nicht die Fraktur eingeführt. Die offizielle Begründung lautete daher, dass die altdeutschen Schriftzeichen den deutschen Interessen im In- und Ausland schaden, weil Ausländer, die die deutsche Sprache beherrschen, die altdeutsche Schrift meist nicht lesen können.
Altdeutsche Schrift lesen lernen
Wer schon einmal versucht hat, handgeschriebene Texte in altdeutscher Schrift zu entziffern, kommt schnell zu der Erkenntnis: Das geht nicht ohne Übung und Know-how. Denn das altdeutsche Alphabet unterscheidet sich doch wesentlich von unserem lateinischen Alphabet. Zudem sind viele Handschriften an sich schon recht unleserlich. In altdeutscher Schrift können wir uns dann häufig keinen Reim auf das geschriebene Wort machen. Wer sich altdeutsche Schriften übersetzen möchte, muss also etwas Geduld und Muße mitbringen. Die Basis Ihrer Nachforschungen sollte natürlich das Alphabet in altdeutscher Schrift sein.
Das Alphabet der Kurrentschrift

Alphabet der Kurrentschrift, um 1865 (die vorletzte Zeile zeigt Umlaute, die letzte Zeile zeigt Ligaturen). Quelle: Wikipedia.
Das Alphabet der Sütterlinschrift
Wer kann altdeutsche Schrift übersetzen?
Wer einmal in die Welt der Großeltern und Urgroßeltern eingetaucht ist, möchte meistens mehr über diese bewegende Zeit erfahren. Der Weg dorthin führt über die altdeutsche Schrift. Dank Literatur, Online-Workshops und sogar Kursen an der Volkshochschule muss Ihnen die Schrift Ihrer Vorfahren nicht länger ein Rätsel bleiben. Manche von Hand verfassten Schriftstücke in altdeutscher Schrift lassen sich allerdings so schwer entziffern, dass die Hilfe eines Experten dafür erforderlich ist. Das kommt vor, wenn das Dokument in einem schlechten Zustand ist oder sehr klein und undeutlich geschrieben wurde. Sie fragen sich: „Wer kann altdeutsche Schrift übersetzen?“ Tatsächlich gibt es Experten, die altdeutsche Schrift lesen und übersetzen können. Informieren Sie sich dazu online und Sie werden einen Experten in Ihrer Nähe finden. Eine Anlaufstelle, um altdeutsche Schriften zu übersetzen, ist zum Beispiel die Sütterlinstube Hamburg e.V.
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Herr W. Zimmermann
15. Februar 2023
Die Normalschrift-Regelung des NS-Staats zum Verbot der bisher gebrauchten Sütterlin-Schrift von 1941 betraf nur den allgemeinen Schul-Unterricht. Etwa in Nordrhein-Westfalen gab es in den Grundschulen (jedenfalls: bis Ostern 1964) weiterhin einzelnen wöchentlichen Unterricht (eine Doppelstunde), der in den Stundenplänen der Kinder als „Schönschrift“ notiert war. Hier wurde dann weiterhin Sütterlinschrift gelernt und geübt, damit die Kinder die allgemein verwendete handschriftliche Gebrauchsschrift lesen konnten, (etwa: die Rezepte, den Einkaufszettel der Oma).