Datenschutzaspekte für Familienforscher

Datenschutzaspekte für Familienforscher

Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Dick Eastman, einer der bekanntesten Namen in der Genealogie-Welt. Dick Eastman war einer der ersten Geneablogger weltweit; er ist ein Anhänger der Technologie, damit die Familienforschung besser gelingt.

„Ahnenforscher kämpfen oft gegen sich widersprechende Anforderungen. Wir möchten schon unsere eigenen Familieninformationen online veröffentlichen, in der Hoffnung, dass andere Forscher diese Infos sehen und Verbindungen zu ihrer eigenen Familie erkennen. Der Gedanke dahinter ist, dass die anderen Ahnenforscher uns dann kontaktieren werden, damit eine Zusammenarbeit entstehen kann. Das Ziel ist natürlich, dass beide Stammbäume davon profitieren und wachsen.
Das Problem dabei ist, dass wir in den Nachrichten ständig mit alarmierenden Artikeln über Identitätsdiebstahl, Betrug und ähnliche illegale Handlungen konfrontiert sind. Während einige dieser Artikel reale Bedrohungen beschreiben, möchten andere widerum eher Panik verbreiten und lassen kleine Probleme schlimmer klingen, als sie es sind. Man fühlt sich, als ob man stets in Gefahr sei. Das ist für diejenigen, die den Unterschied zwischen großen und kleinen Bedrohungen nicht wirklich verstehen, besonders angsteinflößend.

Die Angst vor Identitätsdiebstahl aus öffentlichen genealogischen Informationen ist oft irrational. Betrüger, die hinter einem solchen Diebstal stehen, suchen persönliche Informationen über lebende Personen und nur selten, wenn überhaupt, bekommen sie sie über genealogische Daten, die online veröffentlicht wurden. Betrüger finden persönliche Daten, weil sie eure Brieftasche gestohlen haben, nicht aber auf einer Website. (Quelle: „Die häufigsten Ursachen von Identitätsdiebstahl und wie Sie sich schützen können“ – auf Englisch).

Ein weiterer Faktor, der die Angst vor Online-Veröffentlichung von genealogischen Daten verbreitet, liegt in dem Missverständnis der verschiedenen Gesetze über das Thema. Viele Menschen glauben z.B., dass es es strenge Datenschutzgesetze bezüglich dem Zugang zu genealogischen Informationen gibt; jedoch gibt es nur sehr wenige Gesetze zum Thema in den englischsprachigen Ländern in Nordamerika und Australasien. Dennoch gibt es verschiedene Richtlinien und gelegentlich lokale Gesetze bezüglich Datenschutz im Allgemeinen. Diese sollten nicht mit weitreichenden Einschränkungen von nationalen Regierungen verwechselt werden. Europäische Länder haben in der Regel strengere Gesetze, aber nur weil ein Land etwas als privat einstuft, bedeutet das nicht, dass es überall privat bleiben muss. Mit anderen Worten, kein Gesetz kann die Privatsphäre einer Person weltweit schützen.

Bereits verstorbene Menschen haben keinen Anspruch auf Privatsphäre. Fast alle Gesetze, die sich mit der Privatsphäre beschäftigen, beschränken sich auf die lebenden Personen. Informationen über verstorbene Personen werden in der Regel durch Gesetze nicht geschützt. Ebenso haben die Erben kein Recht auf rückwirkenden Schutz der Privatsphäre von ihren Vorfahren.

In den USA und Kanada gibt es keine Beschränkung für die Online-Veröffentlichung von Daten und Orte der Geburt, Hochzeit und ähnlicher Ereignisse . Solche Fakten gelten als öffentlich, nicht privat. Deswegen stellt eine Veröffentlichung solcher Informationen in Nordamerika und in den meisten anderen englischsprachigen Ländern keine Verletzung der Privatsphäre dar. Doch europäische Länder haben eine Reihe von solchen Einschränkungen. Der Schutz personenbezogener Daten ist in Deutschland im Landesrecht verankert, nicht im Grundgesetz selbst.

Ein weiterer interessanter Punkt betrifft die Veröffentlichung von Informationen, die aus Sterbeurkunden stammen. Die Sterbeurkunde dient nur als rechtlichen Beweis, dass jemand gestorben ist und beinhaltet Fakten über dessen Tod. Fakten sind zum Beispiel das Datum, die Zeit und der Ort des Todes und eventuell auch die Ursache des Todes. Diese Fakten sind juristische Tatsachen, die als korrekt gelten.

Es gibt aber andere Angaben, die oft auf der Sterbeurkunde zu finden sind: Namen des Ehegatten, Eltern oder Kinder.  Ein Geburtsdatum und -ort können ebenfalls vorhanden sein. Jedoch sind diese zusätzlichen Fakten nicht als rechtlich bewiesen zu sehen,  denn diese Informationen stammen aus Sekundärquellen und werden nicht überprüft.

Datenschutz wird erwartet, wenn es um Beleidigungen geht. Allerdings ändern sich die Gesetze und ihre Auslegung sehr schnell. Erst vor ein paar Jahren z.B. könnte nur die Andeutung von Homosexualität von jemandem Anlass zur Klage wegen Verletzung der Privatsphäre bieten. Heutzutage ist es eher schwierig, solche Klagen durchzusetzen. Spätestens seit Caitlyn (früher Bruce) Jenner, werden auch  Informationen über Transsexuelle nicht mehr als privat angesehen. Es ist natürlich nicht nett, solche Informationen über eure Verwandte zu veröffentlichen, vor allem, wenn sie es nicht möchten, aber es sind keine juristische Auseinandersetzung zu erwarten. Es ist klar, dass „sich nett zu verhalten“ viel weiter geht, als nur die Mindestanforderungen zu erfüllen.

Es ist auch gut zu wissen, dass die Datenschutzgesetze Privatpersonen und Prominente unterschiedlich behandeln. Der Durchschnittsbürger kann etwas mehr Privatsphäre erwarten, wenn es um Partnerschaft, Unternehmen, Mitgliedschaft in Vereinen und Organisationen, oder sogar Gehälter geht. Allerdings genießen Politiker, Filmstars, Sportler und andere öffentliche Personen nicht das gleiche Maß an Privatsphäre.

Diese Erwartung an Privatsphäre ist nicht überall gleich. Schweden, Norwegen und Finnland veröffentlichen jedes Jahr die Einkommensteuererklärungen aller Bürger, und das ist für die Bevölkerung dort ganz normal. In diesen Ländern können also alle online gehen, um das Einkommen von Nachbarn, Freunden, Verwandten oder Kollegen herauszufinden.
Diese Unterschiede in den nationalen Gesetzen schaffen ein Dilemma für die Planung, welche Informationen über das World Wide Web veröffentlicht werden. Welche Gesetze gelten für ein Ahnenforscher in Deutschland, der Informationen auf einer Website veröffentlicht, die ihre Server in den USA hat, ihre Backup-Server aber in Singapur liegen, wobei alle Informationen von einem entfernten Cousin in Australien gelesen werden? Kurz gesagt: Es gibt keine schnellen und einfachen Antworten auf solche Fragen.

Viele Online-Web-Tools (MyHeritage, FamilySearch und andere), die von Genealogen verwendet werden, haben Richtlinien, die restriktiver sind als die Gesetze vieler Länder. Sie erlauben in der Regel keine Veröffentlichung von Namen und anderen persönlichen Informationen von lebenden Personen, auch wenn die Gesetze in vielen Ländern die Veröffentlichung solcher Informationen ermöglichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich Familienforscher nicht allzu viele Gedanken über die Datenschutzgesetze machen sollten, aber vielleicht sollten sie mehr den gesunden Menschenverstand nutzen und darauf achten, was angebracht ist, wenn man etwas im Netz veröffentlichen möchte. Nur weil Caitlyn Jenner über ihre Geschlechtsumwandlung sehr offen war, bedeutet das nicht, dass ihr bei einem ähnlichen Vorgang bei eurem Cousin das gleiche tun solltet. Der umsichtige Ahnenforscher, der sich in der Zukunft noch mehr Familieninformationen von Verwandten zu erhalten erhofft,  wird  Informationen, die die Verwandten lieber privat halten möchten, privat halten. Ob legal oder nicht, ein Genealoge sollte die Rechte und Wünsche anderer immer respektieren.“

Bemerkungen

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  • Clair

    9. September 2015

    Danke

  • Remo

    9. September 2015

    Der letzte Abschnitt trifft es eigentlich. Obwohl die Sache mit den Datenschutzgesetzen ernst genommen werden sollte.

    Andererseits ist es doch einfach Anstandssache, dass man nachfragt, wie weit man denn gehen darf, ohne Familienkrisen und Persönlichkeitsverletzungen herauf zu beschwören.

    Selbstverständlich kümmert so etwas die Datensammler & -sauger nicht die Bohne. Aber sollen uns diese ‚ich-hab-am-Schnellsten-den-Grössten‘ von unserem Hobby abhalten ?
    Nein, sicher nicht.

  • r.l.924

    10. September 2015

    Ich wollte eigentlich die Familiengeschichte von Michael Johne aus Bremen lesen komme jedoch immer auf diesen Beitrag. ist das jetzt auch Identitätsdiebstahl? Das nervt ziemlich, wenn man einen Beitrag erwartet und immer hier landet.

  • Herta

    11. September 2015

    Für mich ein interessanter Artikel, da es hier auch um Angaben zu verstorbenen Personen geht. Ein Cousin meines Mannes wollte die Löschung der Daten seines verstorbenen Vaters, d. h. er wollte seinen Namen nicht mehr lesen. Ich habe daraufhin meine Familienseite gelöscht, komme auch so in der Forschung gut zurecht. Mit Anwälten muss ich nichts zu tun haben…
    Ich habe mich im übrigen stets an Datenschutz gehalten und keinerlei Angaben zu lebenden Personen ins Netz gestellt.

  • Rendas Frank

    11. September 2015

    Sehr Interessant, dem kann ich nur zustimmen.

  • Stephan

    13. September 2015

    Eine Frage zum vorletzten Absatz:
    Ich habe bei MyHeritage noch nicht die Stelle gefunden, wo eingestellt werden kann, dass persönliche Daten von lebenden Personen automatisch nicht veröffentlicht werden

  • Andreas

    28. September 2015

    Ich möchte hier an Stephans Problem anknüpfen. Dies ist die mangelnde Differenzierung in den Zugriffsrechten auf Bilder und Informationen bei lebenden und verstorbenen Familienmitgliedern.
    Die Gilder der Smartmatchsammler, den es mehr um Personenanzahl im Stammbaum als um Genealogie geht, sich nicht nur bis in die letzten Verzeigungen des Stammbaumes vorzuarbeiten, sondern auch dann die Bilder zu kopieren.
    Ich halte Smartmatches prinzipiell für ein gutes Tool, ebenso die Discoveryfunktion. Ich schätze auch die Möglichkeit des Austausches von den häufig sehr seltenen Bildern früherer Verstorbener. Das bei Myheritage, im Gegensatz zu anderen Plattformen, hier zwischen lebenden und verstorbenen nicht differenziert wird, sehe ich als ein Mangel, der hoffentlich bald abgestellt wird. Wie ich heute wieder lernen mußte, gibt es bei den Smartmatchsammlern wie Herrn Baedecker, leider keine moralische Grenze. Den Namen habe ich erwähnt, nachdem der obige Artikel mir verdeutlichte, das dies kein Angriff auf dessen Privatsphäre ist. Und wieso soll der Bilderklauer einen höheren Schutz geniesen?

  • Andreas

    28. September 2015

    Korrektur:
    Die Gilde der Smartmatchsammler, denen es mehr um Personenanzahl im Stammbaum als um Genealogie geht, gelingt es nicht nur, sich bis in die letzten Verzeigungen des Stammbaumes vorzuarbeiten, sondern dann auch, die Bilder zu kopieren.