Ja, ich fand es auch super dieses Interview zu lesen, weiter so!


Felix Gundacker ist 1960 in Niederösterreich geboren, ist verheiratet, hat 2 Kinder und eine technische Ausbildung zum Tiefbauingenieur absolviert. Seit 1989 betreibt er professionelle Ahnenforschung, seit 1993 ist dies sein einziger Beruf. Er erforscht im Auftrag von meist privaten Kunden nach Vorfahren, zumeist in den Ländern der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie mit Schwerpunkt Österreich und Tschechien, Slowakei und Ungarn, Slowenien, Südtirol.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit ist es ihm ein Anliegen, die Genealogie generell zu fördern, Hobbyforschern den Einstieg zu erleichtern, Kurse an Volkshochschulen zu halten, Nachschlagewerke zu publizieren (mittlerweile ca. 12.500 A4-Seiten), sowie Datenbanken für Genealogen zu erstellen (www.GenTeam.at).
MH: Herr Gundacker, wie ist Ihr Interesse für Ahnenforschung entstanden? Und was fasziniert Sie daran?
FG: Im Gegensatz zu fast allen, die sich hobbymäßig mit Genealogie beschäftigen, hatte ich das unvorstellbare Glück, alle 4 meiner Großeltern lange Zeit zu erleben und teilweise auch mit ihnen zu leben. Erst im Alter von 32 Jahren verlor ich den letzten Teil. Mein Interesse wurde bereits als Teenager geweckt. Meine beiden Großväter betrieben während und bereits nach dem 2. Weltkrieg Genealogie, und bei jedem Familientreffen wurde über Fortschritte gesprochen – für mich stets einer der Höhepunkte der Feiern.
1988 inserierte ich in einer kleinen Zeitung etwas; unter anderen meldete sich ein Herr Gundacker am Telefon, wir witzelten, ob wir vielleicht miteinander verwandt sein würden, trafen uns 2 Tage später und stellten fest: wir sind tatsächlich sehr eng verwandt! Das war für mich das i-Tüpfelchen, um mich mit dieser Materie näher zu beschäftigen. Nur 2 Monate später inserierte ich in einer großen Tageszeitung in Österreich „Spürnase gesucht“ – suche Mitarbeiter für Ahnenforschungsfirma. Mehr als 250 Anrufe zeigten mir das enorme Interesse daran – ein weiteres Indiz dafür, dass dies funktionieren könnte. 1993 wurde das zweite Standbein zum einzigen.
Mich fasziniert an der Genealogie die Beschäftigung mit früheren Gesellschaftsformen, dem Wissen, woher meine Wurzeln stammen und wie sie und warum so gewachsen sind, der Versuch zu verstehen, wie die Menschen gelebt haben, die Unterschiede der Wertigkeiten der letzten 4-5 Jahrhunderte; so sind z.B. die Inventur/Abhandlungsprotokolle für mich der spannendste Teil der Genealogie – weil sie das Fleisch dazu liefern und nicht nur Eckdaten.
MH: Bis ins wievielte Jahrhundert reicht Ihre Ahnenforschung und was war Ihr schönstes Ahnenforschungs-Erlebnis?
FG: Meine eigene Genealogie endet meist im 30jährigen Krieg, teilweise auch kurz vor 1600. Mein Spitzenahn Michael Gundacker scheint als 5. Besitzer auf einem Bauernhaus ca. 1580 auf; woher er gekommen ist, konnte ich noch nicht herausfinden. In Spuren reichen Forschungen auch bis ins 15. Jahrhundert zurück.
An schönen Erlebnissen gibt es sehr, sehr viele; ich möchte sie nicht reihen. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir folgender Fall: Als ich 2004 die Genealogie von Senator John Kerry publizierte, der für das Amerikanische Präsidentschaftsamt kandidierte, erhielt ich einige Wochen später einen Anruf aus Wr. Neustadt (70 Kilometer südlich von Wien) mit der Frage, ob es hier von einer Cousine von Kerry noch Nachfahren gäbe. Diese Nachfahrin, deren Daten ich aus Datenschutzgründen nicht publizieren durfte, ist auch eine Cousine dieser Anruferin. Sie konnte somit endlich ein Bild ihres Großvaters und Vaters ihrer noch lebenden Mutter erhalten.
MH: Ihre Webseiten sind bei Ahnenforschern sehr beliebt. Besonders Ihre Ahnenforschungsseminare sind so gut wie immer ausgebucht. Würden Sie kurz über genteam.at was erzählen?
FG: GenTeam ist für mich die Erfüllung eines meiner ersten Träume als Genealoge. Bereits 1989, nach einem sehr spannenden Gespräch mit dem leider mittlerweile längst verstorbenen Prof. Walter Pongratz, begann ich mit den ersten Datenbanken – zu einer Zeit, wo es noch „Schlepp“-tops gab und das Internet für alle noch unbekannt war. Im Jahr 2000 stellte ich bereits ein Ortsverzeichnis für Tschechien, Österreich und Slowenien online, das alle Orte dieser drei Staaten umfasste, mit den alten und heutigen Namen, zuständigen Pfarren und Vorpfarren, Matrikenbeginn und den zuständigen Archivbereich.
Als ich 2008 in meinem Bekanntenkreis erwähnte, dass ich auch meine anderen Datenbanken online stellen wollte, zeigten plötzlich viele von Ihnen Interesse, mitzumachen. Am 15.1.2010 war es soweit: www.GenTeam.at ging mit rund 1.2 Millionen Datensätzen online. Mittlerweile sind wir rund 50 Historiker, Wissenschaftler und Hobbyforscher, die für andere diese Datenbanken erstellen und diese der Forschergemeinde kostenlos zur Verfügung stellen. Mittlerweile sind rund 4 Millionen Datensätze online. Noch heute werden hunderttausende Datensätze hinzukommen.
GenTeam ist kostenlos und wird dies auch bleiben!
GenTeam ist aber etwas mehr als nur eine Sammlung von Datenbanken. Einerseits die Idee, etwas Nützliches zu schaffen und Bleibendes zu bewahren, andererseits Genealogen und Forscher und ihre Leistungen zu vernetzen; frei nach dem GenTeam-Motto: connecting genealogists!
MH: Was lernt man in Ihrem Seminar und wieso meinen Sie, dass Ahnenforschung derzeit so im Trend ist?
FG: Die jetzt beworbenen Seminare sind in erster Linie Seminare für Beginnende. Ziel ist es, den Anfänger auf die richtige Spur zu bringen, ihm zu zeigen, was machbar ist und was nicht, die Effizienz zu erhöhen und die gerade zu Beginn sich häufenden negativen Erlebnisse (z.B.: das Nichtauffinden von Einträgen, Schwierigkeiten mit Archiven, allgemeine Probleme wie das Auffinden von Orten, Schrift, Sprache etc.) zu eliminieren bzw. auf ein Minimum zu reduzieren. So werden in einer ersten Stunde die Quellenlage, in einer weiteren Probleme und Problemlösungen, in einer dritten Standard-Matrikeneinträge, und in weiteren 4 Stunden praktische Beispiele durchgenommen.
Gerade durch die Digitalisierung und das Wachsen von Datenbanken aller Art steigt auch das Interesse an Genealogie deutlich an. Gerade in einer sich immer schneller drehenden technisch ausgerichteten Welt suchen viele ein Pendant.
MH: Zu guter Letzt: welche Tipps würden Sie jungen Ahnenforschern geben?
FG: Durch den gerade stattfindenden Umbruch (Digitalisierung, Datenbanken etc.) entstehen nicht nur Vorteile, sondern auch eine Fülle von Gefahren. Die größte ist, anzunehmen, dass all das, was im Internet zu finden ist, auch alles ist, was überhaupt vorhanden ist. Aber die Archive sind voll mit weiterem, wertvollem Archivgut, und auch wenn die Digitalisierung stets voranschreiten wird, wird wohl lange noch nicht alles digital zur Verfügung stehen.
Schade finde ich, dass die Forscher der Zukunft das Gefühl, 300 oder 400 Jahre alte Bücher in Händen gehalten zu haben, und ein Archiv mit einer subjektiv schwerer gewordenen Aktentasche zu verlassen, nicht mehr erleben werden.
Der Ahnenforscher – ob jung oder alt – sollte stets bereit sein, die Erzählungen seiner Eltern/Großeltern und seine eigene gefasste Meinung auf Richtigkeit zu hinterfragen. Und er sollte nicht den Fehler begehen, Geschichten mit Geschichte zu verwechseln, zu spekulieren was alles hätte sein können, und nicht mit unserem heutigen Wissen die Vergangenheit zu verurteilen, sondern sie erst dann zu beurteilen, wenn alle Fakten bekannt sind. Sonst kommt er ganz rasch zu gänzlich falschen Ergebnissen.
Wir danken Felix Gundacker ganz herzlich für seine Teilnahme in unserer Interviewreihe und hoffen, dass euch dieses Interview auch gefallen hat.
Peter Ernst
26. April 2011
Mal wieder ein sehr spannendes Interview! Vielen Dank an das myheritage team.