Das Stadtarchiv von Warburg und seine Schätze

Das Stadtarchiv von Warburg und seine Schätze
Im Archiv von  Warburg herrscht Ordnung und diese Ordnung kommt durch folgende Arbeitsschritte zustande, die klar definiert sind: Übernehmen, auswählen, sichern, verzeichnen, zugänglich machen und auswerten. Das sind die Aufgaben, die Stadtarchivar Franz-Josef Dubbi seit 18 Jahren hinter den Kulissen des Museumsbetriebs im „Stern“ leistet.

Das Archiv ist das Gedächtnis der Stadt und reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück„, erzählt Franz-Josef Dubbi. Die älteste erhaltene Urkunde der Stadt stammt aus dem Jahr 1256. Das von Bischof Simon von Paderborn signierte Blatt gewährt den Altstädtern und Neustädtern die gleichen Rechte.

Einige Examensarbeiten, etwa über die Hospitäler oder den Warburger Wald, wurden mit Hilfe des Stadtarchivs geschrieben. Aber es gibt noch eine Menge ungehobener Schätze: Der Bestand zur Frühen Neuzeit, insbesondere zur jüdischen Geschichte, sei sehr umfangreich, so Stadtarchivar Franz-Josef Dubbi: „Sogar Dissertationen wären möglich.“ Zum Beispiel würden die Ratsprotokolle aus dem 18. Jahrhundert die großen und kleinen Sorgen einer westfälischen Landstadt widerspiegeln. Aus den Kämmereirechnungen des 16. Jahrhunderts könnten sowohl die Finanzsituation der Stadt als auch die Bau- und Kulturgeschichte Warburgs vor dem 30-Jährigen-Krieg erforscht werden.

Jeder hinterlässt seine Spuren im Archiv„, sagt Franz-Josef Dubbi. Aber die Spurensuche zwischen den Archivalien erfordert einige Fachkenntnisse. Wer etwas sucht, wie etwa die Spuren seiner Ahnen, muss wissen, wie ein Archiv funktioniert. Die beste Suchfunktion – neben der Autorität des Archivars – sind die Findmittel. Auf derzeit rund 750 DIN-A4-Seiten sind bereits viele der Akten und Urkunden mit Titel und knapper Inhaltsangabe gelistet. Im Computer kann per Schlagwortsuche recherchiert werden. Mit dem Fund in der Hand beginnt die nächste Herausforderung: das Lesen, allemal das Querlesen.

Im Warburger Stadtarchiv könnten Schriftzüge aus verschiedenen Zeiten und verschiedenen Persönlichkeiten entziffert werden. Kanzlei-, Kurrent- oder Sütterlinschrift – alles von Hand. „Hinzukommt noch die Sprache, wie etwa die französischen Wortbrocken im 18. Jahrhundert.“ Und je älter das Blatt, je befremdlicher der Satzbau nebst Satzzeichen. Punkt, Komma oder Bindestrich wurden einst recht sparsam und auch eigenwillig benutzt. Die Buchstabenflut der Bürokraten stellt sich erst recht spät vor dem Auge scharf: In den 1920er Jahren, „nach der Erfindung der Schreibmaschine„, erklärt Dubbi.

Mit dem maschinellen Schreibmassen zieht auch eine neue Ordnung in die Verwaltungen ein. „Die Akten lagen nicht länger flach, sondern stehen aufrecht in den Stehordnern„, erzählt der Archivar. Der Aktenordner, eine platz- und zeitsparende Erfindung – bis heute. Der Locher ersetzte Zwirn und Nadel, nicht immer zum Wohlgefallen des Archivars. „Früher wurden die einzelne Blätter zu einer Akte zusammengenäht. Da konnten die Akten nicht so leicht bereinigt werden. Festgenäht ist festgenäht, wenn, dann musste die Seite rausgerissen werden„, sagt Archivar, dem solche Risse in der Geschichte nicht entgehen.

Heutzutage bekommt Franz-Josef Dubbi die Aktenberge als Stehordner mit Klammern und Tackernadeln versehen auf den Tisch. Mit Akribie wird die Akte aufgelöst: Alles Metall wird entfernt, um den Papierstapel anschließend in einen säurefreien Karton zu legen, den Deckel akkurat zu beschriften und die neue Archivalie in das Findbuch einzutragen. „Wir verwahren nicht für 50, sondern für die nächsten tausend Jahre“, sagt Franz-Josef Dubbi.

Von der Zukunft zurück auf die Spurensuche in die Vergangenheit: Die Familienforschung boomt, weiß der Archivar. Auch 20-Jährige würden vorstellig. „Wer bin ich eigentlich und vor allem, woher komme ich?„, seien die Fragen, die antreiben. Im Archiv finden sich jedoch keine ausformulierten Biographien. Es sind meist Verwaltungsakten sowie Listen und Register. Steuern, Löhne, Schulden oder Strafurteile – das sind einige der Mosaiksteinchen, aus denen die Geschichte rekonstruiert wird.

Für die beliebte Ausstellungsreihe über die Dörfer im Warburger Land hat Dubbi die Register gewälzt. Zahlenkolonnen, hinter denen sich Schicksale verbergen. „Das Papier ist nur die eine Seite. Aber ein Archiv wird nicht wegen des Papiers geführt, sonder wegen der Menschen„, betont der Archivar.

Vor allem die Kriegszeiten zeichnen die Geschichte und die Schicksale – über Generationen. Der Krieg ist im Archiv nicht nach Kriegserklärung und Friedensschluss geführt. Es muss quer gelesen werden. Die Erschütterungen des 30-jährigen Krieges wirken lange nach. „Die Schuldabschreibungen sind erst in den Akten des 19. Jahrhunderts erfasst“ sagt Dubbi, der als Detektiv im Archiv unterwegs ist. „Viele kleine, scheinbar abwegige Details führen auf die richtige Spur. Aus den winzigen Partikeln kann schließlich das Gesamtbild konstruiert werden.

Rund tausend Urkunden, 4.500 Akten aus der Preußischen Zeit bis 1932, danach weitere tausend Archivalien bis zur Kommunalreform 1975 – die Ratsakten der Frühen Neuzeit füllen fünf Regalmeter. Die Archivalien wurden erst nach dem Bau des Finanzamtes in den 1950er Jahren im heutigen Museum im „Stern“ bewahrt. Davor war das Archiv während des Zweiten Weltkrieges im Mönchehof gelagert sowie früher im Historischen Rathaus Zwischen den Städten.

Das Besondere am Warburger Stadtarchiv ist, dass es mit dem Museum unter einem Dach ist – eine fruchtbare Nachbarschaft: „Ausstellungen zu stadtgeschichtlichen Themen wären ohne die Nutzung des Archivs nicht möglich„, betont Archivar Franz-Josef Dubbi. Auch Publikationen wurden im Haus erarbeitet: so etwa über den Desenberg, den Burgberg, über den Kupferstecher Antonius Eisenhoit sowie die Stadtführer.

Quelle: nw-news.de